Erzählerin, Essayistin, Übersetzerin, Publizistin (1870 – 1967)
„Du weißt: ich hatte mich von meinen deutschen Landsleuten dadurch vielfach unterschieden, daß ich immer so stolz darauf war, ihnen anzugehören, und daß ich im Ausland mit der aufgezogenen Fahne meines Deutschtums so begeistert herumging. Aber du hast auch gehört, wie unermüdlich ich ihnen zurief: Die Verschmelzung Eurer Wesensart mit der Eurer westlichen Brüder ist für das Heil Europas unerläßlich und die Stunde für eine Anleihe ihrer Qualitäten hat geschlagen. Denn nicht eher seid Ihr die Berufenen. Jawohl! Ich weiß es schon, Ihr seid gründlicher, männlicher, Euer Geist ist weiter ausgebuchtet. Aber Ihr seid die politisch Ungeschulten, die Unpolitischen par excellence. Ihr versteht es nicht, mit den Franzosen auszukommen, was noch alle anderen Nationen fertig brachten.“ (1)
„Die meisten Deutschen sind ja, was die Franzosen anbelangt, von einer Oberflächlichkeit, die sonst gar nicht in ihrem Charakter liegt; dafür wird im gegebenen Fall die Oberflächlichkeit mit entsprechender Gründlichkeit betrieben[…].“ (2)
„Darf die menschliche Ehre ein Angriffsobjekt im Kriege sein, dürfen Schauermärchen hüben und drüben die Bestie im Menschen erwecken, so daß der Glaube an die Menschheit versinkt?[…]Kulturnationen! Es ist eine Pflicht gegen uns selbst, diesem selbstmörderischen Treiben ein Ende zu machen und ehrlich zu prüfen, was Lüge, was Wahrheit ist.“ (3)
„Denn von der geistig besitzlosen Klasse wird das Recht auf eigene Meinung, so wir eine haben, am längsten angezweifelt und bekämpft; daher einem jungen Fräulein Niemand die beste Gelegenheit geboten wird, zur Menschenkennerin heranzureifen.“ 4
„Ich bin nie eine Frauenrechtlerin gewesen und dieser Bewegung gegenüber stets passiv geblieben; aber ich muß schon sagen: daß nach vielen Dezennien eines ausschließlichen Männerregiments ein derartig vollendeter Wirrwarr zutage gefördert wurde, gibt doch zu denken.“ (5)
Quellen
(1) In: Annette Kolb: „(Dreizehn)Briefe einer Deutsch-Französin“, Berlin 1916, S. 20/21.
(2) Ebd., S. 127.
(3) Annette Kolb: „Die Internationale Rundschau und der Krieg. (Ein unpolitischer Vortrag gesprochen zu Dresden am 15. Januar 1915), in: Annette Kolb: „(Dreizehn)Briefe einer Deutsch-Französin“. Berlin 1916, S. 133.
(4) „Spitzbögen“<1925>, in: Annette Kolb: „Blätter in den Wind“, Frankfurt a. M. 1954, S. 68.
(5) Quelle 1, S. 88.