Yvonne Friedrichs Textforum
Würdigungen und Nachrufe
Ein Herzensanliegen
Seit 30 Jahren ist Yvonne Friedrichs in Düsseldorf als Kunstkritikerin unterwegs
Wenn Yvonne Friedrichs unterwegs ist, hat sie es meistens eilig. Doch sobald sie ihr Ziel erreicht hat, nimmt sie sich die Zeit, die ihr eigentlich fehlt. Ob sie Ausstellungen besucht, über die sie schreiben will, oder der Redaktion einen Besuch abstattet, für die sie eigentlich längst geschrieben haben sollte – stets dehnt sich ihr alles nahezu schicksalhaft in die Lange.
Das kommt nicht von ungefähr. denn Yvonne Friedrichs, seit 30 Jahren Verfasserin von Kunstkritiken für die „Rheinische Post“ in Düsseldorf und darüber hinaus, zählt nicht zu den kalten Routiniers, die sich beim Schreiben lediglich einer Pflicht entledigen. Kunst ist ihr ein Herzensanliegen, der Künstler eine Autorität. Für seine Arbeit um Verständnis zu werben, darin erblickt sie ihre vornehmste Aufgabe.
Künstler, Galeristen, Museumsleute und am meisten selbstverständlich ungezählte Leser wissen es zu schätzen. Wendet sich Yvonnen Friedrichs doch an ein Publikum, das in Kunst weniger einen Spiegel der Zeit als einen Hort höherer Werte erkennt. Nicht ohne Grund benutzt sie oft und gern Begriffe wie „mythisch“ und „Mystisch“ – eine Romantikerin in einer Epoche, in der das Wahre, Gute, Schöne immer mehr wie ein Relikt aus dem vorigen Jahrhundert erscheint.
Dabei zählt Yvonne Friedrichs keineswegs zu denen, die einer vermeintlich besseren, künstlerisch ertragreicheren Vergangenheit nachtrauern. Im Gegenteil, über 30 Jahre hinweg hat sie sich ihre Neugier auf die Kunst der unmittelbaren Gegenwart erhalten. Ihr besonderes Interesse gerade an meditativen, im Metaphysischen wurzelnden Werken erklärt sich aus den Erkenntnissen, die sie auf ihren Reisen in den Orient, den Fernen Osten und in Länder der Dritten Welt erworben hat. In Persien war sie ebenso unterwegs wie in Pakistan, in Indien wie in Peru und Bolivien.
Zuweilen hat Yvonne Friedrichs die Seite gewechselt, hat selbst Ding in Gang gesetzt, die sie sonst nur schreibend begleitete. So gab sie zusammen mit anderen den Anstoß zur Errichtung des (inzwischen geschlossenen) Skulpturenparks der Firma Horten am Seestern, arrangierte für fünf Stationen eine Kunstschau mit dem Titel „Blickpunkt Niederrhein“, brachte Kunst sogar in die Schaufenster der Königsallee. Nach wie vor allerdings bildet den Mittelpunkt ihres Lebens das Schreiben; nicht nur in der „Rheinischen Post“, sondern auch zum Beispiel in den Fachzeitschriften „das kunstwerk“ und „Weltkunst“.
Düsseldorfs dienstälteste Kunstkritikerin, die ihr Geburtsdatum zur Geheimsache erklärt hat, ist durch ihre sie immer wieder herausfordernde Arbeit jung geblieben. Kompliment!
Bertram Müller In: Rheinische Post. 26. November 1991
Stets voller Selbstvertrauen
Yvonne Friedrichs geehrt
Mehr als hundert Gratulanten – Künstler, Museumsleute, Galeristen – waren der Einladung ins Stadtmuseum gefolgt, um der seit 30 Jahren in Düsseldorf tätigen RP-Kunstkritiker Yvonne Friedrichs ihre Reverenzen zu erweisen. Hausherr Wieland König rühmte ihr nach, sie habe ihre Berichte „niemals mit der heißen Nadel gestrickt“ – und schon gar nicht gestochen“; vielmehr arbeite sie stets gründlich und dabei nie verletzend. Kulturdezernent Bernd Diekmann bestätigte dies mit seiner Beobachtung, daß Yvonne Friedrichs nach Ausstellungs-Pressekonferenzen immer zu den letzten zähle, die das Haus verließen.
RP-Feuilletonchef Reinhard Kill schließlich zeichnete in seiner launigen Laudatio eine Persönlichkeitsskizze von Yvonne Friedrichs, die von Detailkenntnis zeugte: das Leben einer von schier grenzenlosem Selbstvertrauen erfüllten Frau, über der auf ungezählten abenteuerlichen Erkundungen der Erde offenbar stets ein Schutzengel schwebte. Gerührt bedankte sich die solchermaßen Durchschaute mit improvisiert vorgetragenen An- und Einsichten über Kunst und die Welt für die Zuwendung, die ihr an diesem Abend von allen Seiten entgegenschlug. Applaus und ein Glas Alt aufs weitere Wohlergehen.
Rheinische Post, 27. November 1991.
Wachen Auges und voller Begeisterung
RP-Kunstkritikerin Yvonne Friedrichs 73jährig in Mettmann gestorben
In ihrem Wesen schien ewige Jugend zu walten. Yvonne Friedrichs, aus Thüringen stammende Kunstkritikerin der „Rheinischen Post“ seit 35 Jahren, konnte sich immer wieder begeistern: für die Werke junger, nachwachsender Künstlergenerationen, für Moderne und Klassik und ganz besonders für alles Fernöstliche. Völlig überraschend ist sie gestern während eines Telefongesprächs in ihrer Wohnung tot zusammengebrochen, im Alter von 73 Jahren.
Yvonne Friedrichs war – nach kunst- und musikwissenschaftlichen Studien – in Düsseldorf zu einer liebenswürdigen Institution geworden. Sie pflegte enge Kontakte zu Galerien und Museen, und wenn Ausstellungen sie überzeugten, war es ihr ein Herzensanliegen, ihre Begeisterung auf die Leser überspringen zu lassen. Besonders schätzte sie heftige, wilde, farbintensive Malerei; aber auch Kunstwerke, deren Sinnlichkeit weniger unmittelbar in Erscheinung tritt, sucht sie in zuweilen überschwänglichen Worten ihrem zeitungslesenden Publikum zu vermitteln. Ihr letzter, gestern in der Redaktion eingegangener Bericht über eine Keramikschau im Düsseldorfer Hetjens-Museum legt davon erneut Zeugnis ab. Wenn Yvonne Friedrichs Kunst deutete, warb sie immer auch um Verständnis.
Ihr besonderes Interesse an meditativen, im Metaphysischen wurzelnden Werken ergab sich aus den Erkenntnissen, die sie auf ihren abenteuerlichen Reisen in den Orient, den Fernen Osten und in Länder der sogenannten Dritten Welt erworben hatte. In Persien kann sie sich ebenso gut aus wie in Pakistan, in Indien, Peru und Bolivien. Und mehr als einmal stand sie dabei, wie sie uns erzählte, am Rande des Abgrunds.
Zuweilen hat Yvonne Friedrichs die Seite gewechselt, hat selber Dinge in Gang gesetzt, die sie sonst nur schreibend begleitete. So gab sie zusammen mit anderen den Anstoß zur Errichtung des (inzwischen geschlossenen) Skulpturenparks der Firma Horten am Düsseldorfer Seestern, arrangiert für fünf Stationen eine Kunstschau mit dem Titel „Blickpunkt Niederrhein“, brachte Kunst sogar in die Schaufenster der Kö.
Düsseldorfs dienstälteste Kunstkritikerin (die immer wieder auch Ausstellungen in anderen Städten besprach) hat ihr Lebenswerk abgeschlossen. Sie wird uns fehlen mit ihrer aller Routine entgegenwirkenden Neugier auf Kunst unserer Tage, ihrer Herzlichkeit, ihren wachen, lachenden Augen.
Bertram Müller In: Rheinische Post. 24. September 1996
Yvonne Friedrichs †
Mettmann. Die Kollegenschaft der rheinischen Kunstkritiker hat eines ihrer angesehensten Mitglieder verloren. Am 23. September starb Yvonne Friedrichs im Alter von 73 Jahren. Völlig überraschend hat sie der Tod während eines Telefongesprächs in ihrer Wohnung ereilt.
Geboren in Thüringen, war sie nach dem Krieg in den Westen Deutschlands gekommen, hatte hier Kunst- und Musikwissenschaft studiert und sich anschließend publizistischer Arbeit zugewandt, der Kunstkritik vor allem Düsseldorf wurde ihr Lebens- und Wirkungszentrum 35 Jahre lang, zuletzt als dienstälteste Kunstkritikerin vor Ort, war sie für die „Rheinische Post“ tätig und seit 1969 für die WELTKUNST. Dabei berichtete sie nicht nur über das Kunstgeschehen in Nordrhein-Westfalens Kunstmetropole, sondern auch über die Ereignisse im Umfeld der Stadt, vornehmlich aus dem Ruhrgebiet.
Ihre Kunstberichte erfuhren Wertschätzung, denn sie waren geprägt von Sachkenntnis, informativer Substanz und schnörkelloser Lesbarkeit. Yvonne Friedrichs wusste sich leidenschaftlich zu engagieren, ohne, wenn nötig, die kritische Distanz zu verlieren.
Was sie besonders auszeichnete, war ihre spontane Begeisterungsfähigkeit. Diese galt sowohl der klassischen Moderne als auch dem Schaffen der nachrückenden Generationen, nicht zuletzt außereuropäischen Kulturerzeugnissen. Ihre Neigung zur sogenannten Dritten Welt war auf Reisen gewachsen, von denen sie einige selbst als abenteuerlich empfand. Sie kannte sich aus in Persien, Pakistan und Indien, auch in Bolivien und Peru. Kreative Aufmerksamkeit für Meditatives und Metaphysisches erschlossen ihr Begegnungen mit Werken des Fernen Ostens, wie viele ihrer Ausstellungsbesprechungen bezeugen, darunter auch die letzte für die WELTKUNST über die tausendjährige Kunst des tibetischen Buddhismus.
Yvonne Friedrichs war nicht zuletzt ein kontaktfreudiger Mensch, offen und herzlich anderen gegenüber. Ihre „wachen, lachenden Augen“, an die der Nachruf ihrer Düsseldorfer Zeitung erinnerte, werden allen in Erinnerung bleiben.
Horst Richter
In: WELTKUNST. Die Zeitschrift für Kunst und Antiquitäten, Personalie, 1. November 1996