Frauen-Kultur-Archiv

Gerda Kaltwasser Textforum
Stadtgeschichte

Citadellstraße

Nicht nur Baudenkmäler sind erhaltenswert. Auch intakte alte Straßen sind Kunstwerke.

Ganze Städte werden heute von Künstlern zu Kunstwerken erklärt. Die Bewohner dieser Kunstwerke halten meist nicht viel davon. Oft fehlt ihnen sogar das Auge für das, was bemerkens- und erhaltenswert in ihrer Stadt ist. Dieses Schicksal scheint die Citadellstraße jetzt zu erleiden. Ein junger Fotograf, Sigurd Storch, setzt sich mit den Fotos auf dieser Seite für ihre Rettung ein und hofft auf Bügerinitiative.

Die Citadellstraße – die alte Schreibweise mit „C“ statt „Z“ blieb auf den Straßenschildern erhalten – gehört zwar nicht zu den ältesten Straßen der Altstadt, aber sie ist eine typische Altstadtstraße und, was mehr zählt, sie ist in ihrem ursprünglichen Zustand vollkommen erhalten. Kopfsteinpflaster und verschnörkelte Straßenlaternen ergänzen das Bild der Häuserzeilen mit ihren Bauten, die zum Teil in das 17. Jahrhundert zurückreichen.

Die Maxkirche, Klosterkirche des ehemaligen Franziskanerklosters an der Ecke Schul- und Citadellstraße (Heinrich Heine besuchte hier das Lyzeum) entstand um 1735. Doch schon 1620 war das Berger Tor ans Südende der damaligen Citadelle, an die Ecke Citadell- und Bäckerstraße verlegt worden. Um 1755 schuf Baumeister Anton Schnitzler das Haus der Max-Schule.

Im Laufe der Jahrhunderte im Wandel der Stilepochen sind viele würdige Bürger- und Adelshäuser hier entstanden. Sie trugen so freundliche Namen wie „Im Schenkchen“ (Haus Nummer 3, das ehemals zum Palais Nesselrode gehörte), „Im roten Ochsen“ (Haus Nummer 15), „Im Schloß Benrath“ (Haus Nummer 10, erbaut 1718) oder auch „Im Sonnenaufgang“ (Haus Nummer 12, wo 1838 der Brauer Mathias Schumacher eine Brauerei erwarb, Stammhaus der heutigen Brauerei Schumacher an der Oststraße).

Es ist ein Vergnügen, gemischt mit Bitterkeit, durch die stille Straße zu gehen. Mancher Hauseigentümer verwendet auch heute noch Mühe und Geld auf die Pflege der so ausgewogen und maßvoll gestalteten Fassaden. Traurig aber stimmt der Zustand des Verfalls, der an den meisten Häusern zu beobachten ist, aber auch in ihrem Inneren, wo der Detektiv auf den Spuren der Vergangenheit noch Schätze an wertvollen Stuckarbeiten entdecken kann. Zwecklos, dem von Oberbürgermeister Marx 1895 einen nicht vorhandenen Verkehr geopferten Berger Tor nachzutrauern. Und auch der Trost ist schwach, dass diese Straße viel Pariserisches hat, im selbstgenügsamen Charme ihrer Zurückgezogenheit von dem, was man „modernes Leben“ nennt.

Seltsam genug: Der Beschuss der Stadt 1758 verschonte die Straße; das Hochwasser von 1784 umspülte die Erdgeschosse, richtete aber keinen größeren Schaden an. Bomben und Artilleriegrananten im Zweiten Weltkrieg fanden andere Ziele. Jetzt aber scheint der Niedergang einer intakten alten Straße unausweichlich, wenn nicht Heimatvereine, Denkmalpfleger und die Bürger, für die sie tätig sind, ihr Augenmerk statt auf ein einzelnes Bauwerk einmal auf ein komplexes Stück historischer Umwelt richten. Viel haben wir davon nicht aufzuweisen.

Fakten

Die Citadellstraße liegt in der Karlsstadt, dem ab 1787 entstandenen erweiterten Teil des alten Düsseldorf. Die Karlstadt trägt ihren Namen zu Ehren des Kurfürsten Karl Theodor (1724 bis 1799).

Die Citadellstraße reicht von der Schulstraße im Norden zur Bäckerstraße im Süden. Sie umfasst nur 13 Grundstücke auf der westlichen, acht auf der östlichen Seite.

Benannt wurde sie nach der 1552 von Herzog Wilhelm dem Reichen erbauten Citadelle.

Bei der dritten Erweiterung der Stadtbefestigung, 1620, wurde die Straße in den geschützten Teil der Stadt mit einbezogen.

Zwei bedeutende Bauwerke, das ehemalige Franziskanerkloster mit Kreuzgang und das Palais Nesselrode, markieren den Nordrand.

Im Palais Nesselrorde zeigt heute das Hetjensmuseum seine Keramikschätze. Im Süden schließt sich die Berger Allee an. Eng benachbart ist das Spee’sche Palais mit dem Stadtgeschichtlichen Museum.

Gerda Kaltwasser In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost. „Im Blickpunkt“, 4. März 1972

Ein Museum aus Seerosen, Emaille-Ranken und Majolika-Theken

Metzgerladen im Jugendstil

Für jemanden, der mit Begeisterung gute Wurst herstellt, für eine Jemandin, die sich ein Leben ohne den herzlichen Kontakt zu den Kunden nicht vorstellen kann, mit fachlichem Rat zum Bratenstück und zur Wahl des Aufschnitts – für ein eingefleischtes Fleischerehepaar also muss es nicht leicht sein zu verkraften, dass viele Käufer und noch mehr Vorübergehend den Fleischerladen nur betreten, um zu fragen.“ Ist das wirklich echter Jugendstil?“ Oder um zu sagen: „So einen schönen altmodischen Laden hab ich noch nirgendwo gesehen.“

Helene und Peter London von der Lorettostraße sind solche Kunden inzwischen gewöhnt. Vor wenigen Jahren noch kannten sie andere Fragen: „Wollen Sie denn nicht mal modernisieren? Das muss doch schrecklich sein, solche Staubfänger immer sauber halten zu müssen?“ Oder ganz blank: „Wann schaffen Sie endlich das alte Gerümpel weg?“ Das „alte Gerümpel“ ist eine komplette Einrichtung eines Metzgerladens im Jugendstil. Peter Londons Vater Theodor, ein wohlhabender Mann, hat sie 1906 zum Preis von 28 000 Goldmark gekauft und damals um den Preis nicht gefeilscht. Die Einrichtung mit einem Wurst-Gestänge, mit den herrlichsten emaillierten Eisenranken, mit einer Majolika-Theke, mit einer Glas-Kassettendecke, einem unverwüstlichen Plattenfußboden und Wandkacheln im typischen Stil der Zeit hatte zuvor auf der Weltausstellung in Gent (Belgien) 1906 einen ersten Preis gewonnen.

Preiswürdig 1906 – zu preisen 1974. Peter und Helene London, Kinder alteingesessener Düsseldorfer Familien, wissen inzwischen, dass ihr Geschäft das Wert eines Museums hat. Sie wissen auch, wie schnell sich Geschmack und Vorlieben ändern. Peter London, ganz ehrlich, sagt: „Wenn ich einen Sohn hätte, von dem ich wüsste, dass er das Geschäft mal übernehmen wird, ich hätte das alte Zeug schon kurz nach der Währungsreform rausmachen lassen.“

Wer hätte das nicht zu einer Zeit, als Chrom und glatte Fliesen das Gesicht der Geschäfte, vor allem der Lebensmittelgeschäfte, zu formen begannen. Als nur das als sauber und akzeptabel galt, was auch blitzend war wie ein Chirurgenbesteck. Inzwischen blitzt es uns zu sehr, ist alles zu glatt und eintönig. Ein Kachelband mit Seerosenrelief, von keinem Granatsplitter zerstört, darüber ein symmetrisches Rankenmuster, davor das Gestänge mit üppig wucherndem Rankenwerk – daran kann das Auge sich festhalten, daran wird auch etwas deutlich von der Liebe nicht der Gewinnsucht, die einmal bürgerliche Geschäfte zu Treffpunkten der Bürger machte. Liebe zur Natur und zum Detail, aber auch der Stolz zwischen Speck und Blutwurst nicht verwelkende Natur in Großstadteinrichtungen einfügen zu können, das wirkte wohl mit, als Geschäfte in dieser Art eingerichtet wurden. Jugendstil als Stil einer Großstadt-, einer Massengesellschaft: Nirgendwo kann er geschlossener und eindrucksvoller studiert werden als hier an der Lorettostraßen.

Doch was geschieht, wenn die Londons einmal Schluß machen möchten mit der Plackerei? Dr. Irene Markowitz vom Stadtgeschichtlichen Museum hat das Ganze schon neidvoll für ihr Museum in Augenschein genommen. Doch wer kann das bezahlen? Vor allem, wer in Düsseldorf wird die Mittel aufbringen, dieses kunsthistorische Beispiel ohne Beispiel zu erhalten, möglichst sogar in Funktion?

Helene London, die ihren Laden liebt, hat eine Zukunftsvision, die mit ein paar Finanzspritzen Wirklichkeit werden könnte: „Als Schönstes könnte ich mir vorstellen, dass der ganze Laden in ein altes Haus in der Altstadt übernommen würde. Nicht als Museum, sondern als ein feines Aufschnittgeschäft.“ Vergangenheit, die wir lieben, sollte leben.

Gerda Kaltwasser In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost. 13. April 1974

Vom nackten Hans und anderen Leckereien

Ein alteingesessener Düsseldorfer kommt nach der Spätschicht in ein freundliches Innenstadtrestaurant, bestellt ein Altbier und „‘ne halve Hahn“. Nach 15 Minuten, er hat inzwischen das dritte Bier vor sich stehen, will er sich vorsichtig nach dem Verbleib des Happens erkundigen. Da serviert ihm der Ober mit elegantem Schwung und einem fröhlichen „Guten Appetit“ – ein halbes Hähnchen, frisch und knusprig, mit Schweizer Rösti und gemischtem Salat. Der Ober – ein sehr guter nebenbei bemerkt – war Ostfriese. Und er war erst wenige Tage in Diensten eines Restaurants in Düsseldorf am Rhein. Deshalb ist dieses Erlebnis auch nicht den Friesenwitzen zuzuzählen.

Wer, wenn er nicht gerade hier geboren ist, kann sich vorstellen, daß ein „halver Hahn“ ein Mainzer Käse im laufenden Zustand mit Zwiebeln, Kümmel und einem Röggelchen ist. Die gehackten Zwiebeln, womöglich in einer Essig-Öl-Marinade, werden auch „Musikk“ genannt, mit der Betonung auf der ersten Silbe. Die „Musikk“ findet sich auf den Spezialitätenkarten Düsseldorfer Altbierlokale zum Beispiel zum Schwartenmagen. Einfache Leberwurst mit Musikk hingegen wird „Stockfärv“ genannt. Dabei muß die Leberwurst über Nacht in der Marinade liegen, die noch mit Lorbeerblatt, Nelke, Pfeffer- und Senfkörnern gewürzt wurde.

Aber Stockfärv oder Läwerwooschschlat – Leberwurstsalat – sind auf den Speisekarten kaum mehr zu finden. Wohl der „Näcke Hennes“, der nackte Hans, wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung. Das ist nämlich einfache Blutwurst, die sogenannte Blootwoosch oder Flönz mit Zwiebeln, Senf und Röggelchen. Man sieht’s an den wenigen Beispielen, die Düsseldorfer halten etwas von der deftigen Hausmannskost. Einfach und billig, so ist sie von den Vorvätern auf uns gekommen, denn Düsseldorf war nicht immer die von allen beneidete reiche Metropole eines (problem)-reichen Bundeslandes. Als das arme Fischerdorf 1288 zur Stadt erhoben wurde, war damit nicht automatisch Reichtum verbunden. Und auch in den Jahrhunderten später ging es eher eingeschränkt zu in den Bürgerhäusern.

Die Vorliebe für die alten rheinischen Spezialitäten hat sich nicht nur erhalten, sie ist in den letzten Jahren wieder stärker geworden. Viele Gaststätten in der Altstadt, aber auch an der Oststraße, am Wehrhahn und in den Außenbezirken pflegen den Eintopf aus Gemüse, Kartoffeln und Fleisch. Der Rheinische Sauerbraten fehlt auf den wenigsten Speisekarten. Nur die alten Namen, die wurden eingehochdeutscht.

Eigentlich schade. Wer würde nicht gern mal in „Pollezeifenger“, Polizeifinger, beißen. Das klingt nicht so hart wie „Bullen“ und erleichtert doch das Gemüt. Polizeifinger sind Möhren oder gelbe Rüben, mit Kartoffeln, Zwiebeln und Räucherspeck gekocht. Anders die „Schnieder-Courage“, die Schneider-Courage. Da werden die Möhren und Kartoffeln mit weißen Bohnen, Rindfleisch und Speckwürfeln angerichtet. Mit den Möhren hatten’s die Düsseldorfer überhaupt. Beim „Dolle Jacob“ werden die Möhren und weißen Bohnen gesondert gegart, beim Mohrepuspas wird das Fleisch gespart, statt dessen wird der Eintopf aus Möhren, Kartoffeln, weißen Bohnen, mit verschlagenen Eiern und Sahne angereichert. Etwas für starke Esser mit viel körperlicher Bewegung. Ganz schön schlau nach modernen Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft war dieses Essen. Möhren sind reich an B-Vitaminen, Karotin; weiße Bohnen enthalten viel Vitamin-C und ersetzten dadurch das für die einfachen Leute nur selten erschwingliche Fleisch.

Heutzutage haben die Gerichte nicht mehr die gemütlichen alten, anzüglichen Namen. Der Eintopf wird nicht Eintopf, sondern Gemüse „bürgerlich“ genannt. Das Stielmus heißt Stielmus, nicht „Zenthötches“ wie in alten Zeiten. Und ein Gastwirt, der noch Panhas zum Sauerkraut serviert, wird Panhas nicht als „Knabbeldanz“ anpreisen. Denn das würden nicht mal Düsseldorfer mehr verstehen.

Wie schön, daß wenigstens der Riefkooke noch Reibekuchen, der Pillekooke noch Pillekuchen heißt, ein „Pfannkuchen“, der aus rohen Kartoffelschnitzen-Eierteig besteht. In die Richtung gehört auch die „Pann Schiewe“, Bratkartoffeln aus dünn geschnittenen rohen Kartoffelscheiben. Hier übrigens, wie auch bei den beliebten Muscheln in den Monaten mit „r“ (September bis Februar) findet der Gast endlich die wahrscheinlich lange gesuchte Verbindung zur französischen Küche. Denn Kartoffelgerichte dieser Art wie auch Muschelspeisen von derb bis delikat finden sich in Frankreichs Provinzen. Und die Düsseldorfer haben sich in ihrem Geschmack immer eher nach Westen denn nach Osten ausgerichtet.

Übrigens – auf dem Weg zum Pillekooke in der Altstadt empfiehlt es sich, als Vorspeise ein Matjesröllchen mit Zwiebeln auf dem Markt zu essen. Danach ist Düsseldorfer Altbier, nach alter Art gebrautes Bier, nicht mehr zu umgehen.

Gerda Kaltwasser In: Düsseldorf. Das Magazin für Gäste und Freunde der Landeshauptstadt Düsseldorf, 1977, Heft 4, S. 37

Nur die Hausgeister der Flora durften auftreten

Bilderbogen über 90 Jahre auf der Schulbühne

Sie priesen nicht mit viel schönen Reden das 90jährige Bestehen ihrer Schule, sie demonstrierten es auf der Bühne der gut hergerichteten Aula ihres ehrwürdigen Schulhauses: Die Mädchen und Jungen der Realschule an der Florastraße, die einst als Mädchen-Mittelschule begonnen hatte. Schulleiterin Adelheid Kolb begrüßte die Gäste, darunter Ratsherr Hans Funk (CDU) vom Schulausschus und Vertreter des Stadtbezirks 3, in dem die Floraschule eine bedeutende Stelle als Lehrinstitut hat. Die Bilker Heimatfreunde waren vertreten, aber auch der für die Existenz einer Schule so wichtige Nachwuchs, die Kinder einer Grundschule des Bezirks.

Dann ging’s gleich hinein in die Geschichte. Kunsterzieher Walter Borgerding hatte es übernommen, durch das Geschehen zu führen. Da gab es manches zu belächeln. Aber die blauen Schulmützen aus Kaisers Zeiten wirkten eigentlich ganz modisch. Der Chor kommentierte die Entwicklung musikalisch. Schulleiterin Kolb hatte gebeten, die Szenenfolge nicht durch Beifall zu unterbrechen. Spätestens beim Walzer mit richtigem Turnierpaar konnten die Gäste ihre Hände nicht mehr ruhig halten. Es musste geklatscht werden. Erster Weltkrieg mit Fußlappen nähen und Binden wickeln für die Soldaten an der Front. Schulfest unter französischer Besatzung, da durfte kein politisches Wort fallen, durften nur „die Hausgeister der Flora“ auftreten. Nazizeit mit Hitlergruß und Drohungen, wieder Krieg, Bomben, von denen die Floraschule zum Glück weitgehend verschont blieb.

Neunzig Jahre ist sie jung, das Schulhaus selbst ein Baudenkmal, mit noch erhaltenem mehrfarbigem Plattenfußboden im Treppenhaus und einem blühenden Schulleben, von dem sich am Nachmittag bei Kaffeetafel und Rundgang einige hundert „Ehemalige“ überzeugen konnten.

Gerda Kaltwasser In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 17. April 1989

Die Friedrichstraße

Kopfsteinpflaster, in der Mitte zwei Stränge Straßenbahnschienen, in jedem Haus im Parterre ein kleiner Laden – Metzgerei, Bäckerei, Obst und Gemüse, aber auch Bücher und sogar Schmuck – in den Obergeschossen Wohnungen ohne Bad, die Klos im Treppenhaus; auch mal ein Photoatelier, eine Uhrmacherwerkstatt, ein Herrenschneider, eine Näherin, die auf Wunsch zum Nähen und Flicken in die Wohnung kommt. In den Treppenhäusern riecht es nach Kohl, Pellkartoffeln, auch mal nach Reibekuchen, selten nach Braten oder Rouladen. Das ist meine Friedrichstraße in Düsseldorf zwischen 1930 und 1945, südlich vom Graf-Adolf-Platz, der damals Adolf-Hitler-Platz hieß, Bindeglied zwischen dem alten Bilk und dem jungen Stadtzentrum mit der Königsallee. Kleine Leute wohnten hier bis zum Pfingstangriff im Juni 1943, auch arme Leute. Zum Beispiel in dem großen Haus Nummer 23, das einen Innenhof hatte, der von drei Seiten mit Hinterhäusern umgeben war, mit grüngestrichenen hölzernen Falltüren im Hof, unter denen ausgetretene Steinstufen in Waschküchen und Abstellräume führten. Im Vorderhaus waren zwei Geschäfte, eines für Miederwaren, das andere für „Feinkost“, darüber die etwas teureren Wohnungen. Hinten wohnten die armen Schlucker, die kinderreichen Arbeiter, bei denen manchmal nachts Möbel und Porzellan aus dem Fenster flogen, wenn der Vater den Wochenlohn versoffen hatte. Kommunisten sollten da auch wohnen. Das war in dieser Straße schlimmer als fliegende Untertassen. Die flogen auch bei uns hin und wieder aus dem Fenster im Hinterhaus von Nummer 43, wo mein Vater, der Metzgermeister Michael Kaltwasser, seit 1927 eine völlig heruntergewirtschaftete Metzgerei wieder zu Ansehen und Kundschaft bringen wollte. Sein Meister hatte ihm ein Darlehn gegeben. Irgendwann 1946 habe ich dem die letzte Rate gebracht. Dort im Haus Nummer 43 ließ ein Barmusiker nach besonders großzügigen Gästen – Motto: „Geh’m se dem Mann am Klavier mal ein Bier“ – das Porzellan sausen. Ein Barpianist in dieser Gegend? Nicht nur einer. Klamotten-Schauspieler wie Hilde und Fritz Servos wurden als Freunde begrüßt, Operettenstars wie Trude Adam oder Rudolf Rudolphi, die im Kleinen Haus, dem städtischen Operettentheater gegenüber dem Apollo, auftraten, wurden angehimmelt, Artisten, Conferenciers, Humoristen wie Karl Napp, die im Apollo oder auf Adlers Bunter Bühne auftraten, gehörten zur besser zahlenden Steak- und Schinken-Kundschaft. Gegenüber an der Friedrichstraße war der Kristallpalast. Besuch des Kinderkarnevals vom fünften Lebensjahr an war Ehrensache; erst recht, als Besitzer Ederer Prinz Karneval geworden war. Zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof war bis zum Kriegsende und noch etwas länger und trotz sich wie Meereswogen auftürmender Trümmerberge das Düsseldorfer Vergnügungsviertel, ein Paradies mit legendären Nachtlokalen wie dem Rauchfang im Apollo, dem Café Korso und der Grotte, mit Kinos wie Residenz und Asta Nielsen, mit Schwof und Rumtata im Oberbayern und dem sanften Übergang zum Rotlichtviertel an der Bandelstraße, das wir Nachtjackenviertel nannten. Das war östlich von der Friedrichstraße. Westlich war auch ein Paradies: das Ständehaus mit dem Vater-Rhein-Brunnen, mit Park, Kaiserteich und Schwanenspiegel, der Schwanenmarkt und der Spee’sche Graben oder, an der Bilker Allee, unter Aufsicht der Großeltern erreichbar, der Floragarten. Und überall Spielplätze mit Schaukeln, Sandkästen und Rutschen.

Feuerwerk am Samstag

Aber das war nur für die Kleinen. Wir Größeren spielten in den Büschen, fochten blutige Bandenkriege mit den Jungens von der Villa Jück aus, eine alte Zigarrenkiste von Vati war mit Pflaster und Flickenresten gefüllt, Ersatz für Mullbinden, denn Rot-Kreuz-Einsatz war immer nötig. Auch an jenem 10. November 1938, als die achtzigjährige Frau Cohn vom Haushaltswarengeschäft gegenüber aus einem Scherbenhaufen in unsere Metzgerei gewankt kam, Mutter ihr einen Stuhl und ein Glas Wasser brachte, der Blockwart die Ladentür aufriß und brüllte: „Das werden Sie noch zu spüren kriegen!“ Meine Mutter bekam es Jahre später zu spüren, als ihr, der schon schwer Behinderten, der Blockwart den Zutritt zum öffentlichen Luftschutzkeller in der Klebekiste, dem alten Bau der Landesversicherungsanstalt, verweigerte. „Korinthenkacker“, sagte ich, versuchte, den Mann beiseite zu drücken. Wäre das Kriegsende nicht schon nahe gewesen, wir hätten das alle zu spüren bekommen. So aber verkrochen wir uns in die Waschküche unter unserem Trümmerhaufen – mein Vater hatte am Tag, bevor deutsche Soldaten die Oberkasseler Brücke sprengten, noch von seinem linksrheinischen Einsatz als Volkssturmsoldat desertieren können – und warteten darauf, daß die Amis endlich kämen. Während sechs Wochen Artillerie- und Tieffliegerbeschuß lernten wir alle, mit dem Sterben und dem Tod umzugehen. Als die Amis schließlich auf ihren Panzern durch die Friedrichstraße rollten, war das eine Befreiung, aber ohne politisches Pathos. Der Kampf ums Überleben ging weiter, nun ohne Artilleriefeuer, ohne Tieffliegerangriffe und Bombergedröhn. In der warmen Maisonne trockneten die im Waschkeller angeschimmelten Matratzen. Der Gelenkrheumatismus kam später. Auch der Hunger. Aber da brachte uns die Tochter eines jüdischen Nachbarn, einzige KZ-Überlebende unserer ganzen jüdischen Nachbarschaft von vor 1938, Matzenbrot. Fritz und Hilde Servos hatten sich aus Berlin durchgeschlagen und standen in den Trümmern unserer Metzgerei. Von den Klos im Treppenhaus war nur das im Parterre übriggeblieben. Ein löchriger Teppich ersetzte die Tür. Es war das einzige funktionierende Klo für drei Trümmerhäuser. Durch die Schlagersängerin Evelyn Künneke erhielt es seinen Charme, durch den Komponisten Michael Jary, der dort Amizigaretten rauchte, seinen exklusiven Duft. Jary und die Künneke gastierten im behelfsmäßig bespielbar gemachten Apollo und wohnten in den Trümmern neben uns bei Freunden. Meine Friedrichstraße hatte überlebt. Ihr Sterben kam viel, viel später.

Gerda Kaltwasser In: Pfeffer, Alla (Hrsg.): Straßenbilder. Düsseldorfer Schriftstellerinnen und Schriftsteller über ihr Quartier., Düsseldorf 1998, S. 58-60

Wie Buys zu Beuys wurde

Probleme mit dem Gleichklang berühmter Namen

Nicht alles, was wie Beuys ausgesprochen wird, wird auch wie Beuys geschrieben. Die Anwohner der Buysstraße in Bilk, am Karolinger Platz, wissen das. Und es wundert sie seit den spektakulären Aktionen des Künstlers und Kunstprofessors Joseph Beuys im Düsseldorf der siebziger Jahre nicht mehr, dass ihre Straße ihm zugeschrieben wird, obwohl die doch Buysstraße heißt. Ein Schreibfehler des Straßenschildermalers?

Keineswegs, auch wenn neulich auf dieser Zeitungsseite die Buysstraße als Beuysstraße auftauchte. Warum brauchten die Düsseldorfer auch so lange, ihrem weltberühmten Künstler Joseph Beuys eine Straße mit seinem Namen zu widmen, nämlich am Rheinufer. Eine Beuysstraße also gibt es, aber nicht in Bilk, wohl aber die Buysstraße und die schon ziemlich lange. Benannt ist sie nach Albert Buys. Der setzte 1657 eine große Buchdruckertradition fort, die von dem Niederländer Jakob Bathen in Düsseldorf begründet worden war. Albert Buys und später sein Sohn Bernhard führten den Titel „Hofbuchdrucker“. Sie druckten meist Werke religiöser Art, so 1589 das erste Hauptwerk des Kaiserswerther Pfarrers und späteren Kölner Universitätsrektors Caspar Ulenberg, die „Psalmen Davids“ mit von Ulenberg komponierten „Teutschen Gesang-Reimen“. Der vor zwei Jahren gestorbene RP-Redakteur Dr. Karl-Jürgen Miesen hat Buys Vater und Sohn in seiner „Kleinen Geschichte des Düsseldorfer Buches“, erschienen 1990 bei Droste, gewürdigt.

Gerda Kaltwasser In: Rheinische Post. Stadtteilnachrichten, Düsseldorf-Mitte, 19. Januar 1999

Von Hoheiten und Stammtischen

Stadtmuseum: Fest zum 125jährigen Bestehen

Es herrschte Kaiserwetter zum Geburtstag des Stadtmuseums, das vor 125 Jahren entstand. Heute das älteste städtische Museum und zweitältestes historisches Museum im Rheinland, wurde es 1874, zu Beginn des wilhelminischen deutschen Kaiserreichs, in Düsseldorf gegründet. Damals begann der Kulturkampf zwischen evangelischen und katholischen Deutschländern. Keine Rede davon, als Dechant Werner Moonen nach dem lateinischen Hochamt in St. Maximilian im Namen von Museumschef Dr. Wieland Koenig zur Geburtstagsfeier ins Museum einlud. Es war so überfüllt, dass Koenig gleich den vierten Bauabschnitt anmahnte.

Streitlustiger Festvortrag

Oberbürgermeisterin Marlies Smeets hörte die Botschaft wohl, dachte aber an die leeren Kassen. Sie würdigte die Öffnung des einstigen Stadtgeschichtlichen Museums unter Dr. Koenig zur Gegenwart, zur streitbaren Auseinandersetzung. Die lieferte in seinem Festvortrag Professor Dr. Gerd Krumeich von der Heine-Universität. Er ironisierte die „nationale Kraftmeierei“ im Nach-Bismarck-Reich und machte ganz nebenbei deutlich, wie verknüpft mit Weltpolitik und Biertischpolitik schon das damalige Düsseldorf war. Da schlossen sich nämlich die Stammtische der Künstler und der Industriellen zu einem „Vereinigten Stammtisch“ beim Altbier zusammen.

Gar nicht stammtischmäßig, sondern stilgerecht mit „Hoheit“ begrüßte Dr. Werner Alberg, der die Festausstellung eingerichtet hatte, den Prinzen Georg Friedrich von Preußen, Chef des Hauses Hohenzollern. Schließlich geht das bürgerliche Stadtmuseum auf Anregungen und Stiftungen des Preußenprinzen Georg zurück, der 1826 im Schloß Jägerhof geboren wurde. Preußische Gegenwart wiederum verkörperte Professor Dr. Jochen Giersberg, Generaldirektor der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten. Ganz rheinisch hingegen Professor Helmut Hentrich, Ehrenbürger und Mäzen der Stadt. Oder auch ein anderer Ehrenbürger, er starb in dieser Woche, Dr. Konrad Henkel. Dessen Familie repräsentierte die Galeristin Hete Hünermann, Schwester von Gabriele Henkel.

Herren in dunklem Anzug, Damen mit mutigen Hütern begaben sich alsdann in den Garten, wo Schlössers Alt strömte, Teller mit Flönz lockten. Keiner ließ sich von den Kriegerdenkmälern stören, die Johannes Galert in Lothringen fotografiert hatte, Denkmäler aus einer Zeit, als die Wacht am Rhein brauste wie Donnerhall. Unter den Nazis wurde daraus im Stadtmuseum eine „Germanenschau“. Alles nur Geschichte? Aber man darf sie nicht vergessen.

Gerda Kaltwasser In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 3. Mai 1999

Muß der Skulpturenpark wieder umziehen?

Kunst und Kultur am Albertus-See zwischen Schießstraße und Heerdter Lohweg

HEERDT Anfangs wunderten sich die linksrheinischen Düsseldorfer, dann nahmen sie das geschlossene Tor des Skulpturenparks am Albertus-See zwischen Schießstraße und Heerdter Lohweg als unabänderlich hin. Schließlich ist der Skulpturenpark eine private Anlage neben der öffentlichen, beides zusammen aber ergibt den Reiz dieser Kunstlandschaft – Kunst in doppeltem Sinne; einmal, weil der vom Seestern in Niederkassel hierher verlagerte Skulpturenpark die Besucher mit moderner Landschaft in der Natur bekannt macht, zum anderen, weil diese Natur hier erst in den letzen beiden Jahrzehnten von Menschen geschaffen wurde.

Der Geheimtip

Seitdem ist die Idylle hier ein Geheimtip vor allem der Heerdter, Löricker und Niederkasseler. Gern gehen sie hier zu jeder Jahreszeit spazieren, freuen sich auch über die Kunst, die ihnen hier so selbstverständlich vorkommt, sozusagen „wie gewachsen“.

Seit der Hortenkonzern im Kaufhofkonzern aufging und dieser wiederum von der Metro erworben wurde, ist es gespenstisch still in den fast neuen Verwaltungsgebäuden und der Skulpturenpark wurde geschlossen, nachdem der mit der Aufsicht Betraute den Ruhestand erreicht hatte.

Zur Erinnerung: Im Juni 1982 wurde in der Grünanlage, die das Horten-Veraltungsgebäude am Seestern umgab, das Projekt Skulpturenpark verwirklicht, eine zunächst fast unbeabsichtigte mäzenatische Tat, weil ein leitender Kopf in der Hauptverwaltung meinte, daß sich moderne Bildhauerwerke hier im Grünen gut machen würden. Es wurden, nach Beratung mit professionellen Kennern aus der Kunst- und Journalistenszene, Künstler zur Teilnahme aufgefordert. Das Ergebnis hatte ein gewaltiges Echo. Nach einigen Jahren aber wurden dem Mäzen die Folgekosten einer auf Wechsel angelegten Skulpturenschau zu hoch, die Werke der Ausstellung „Standpunkte – Blickpunkte“ blieben, mit dem Geld für einen Wechsel wurden Stipendien für junge Künstler finanziert.

Als Horten seinen Standort Seestern Anfang der neunziger Jahre aufgab und zum Albertus-See umzog, zog die Idee Skulpturenpark mit. Jetzt sieht es so aus, als ob sie im aufreibenden Wandel hin zum globalen Markt auch im konzentrierten Einzelhandel auf der Strecke bleiben könnte. Der Bezirksvorsteher für die linksrheinischen Stadtteile, Wolfgang Kamper, hat vor einiger Zeit das ständig verschlossene Tor des Skulpturenparks wie so viele andere Bürger mit Kopfschütteln registriert. Die Versuche, Auskunft über die Zukunftsplanung zu erhalten, brachten nicht viel, jedenfalls nicht viel Ermutigendes. „Es sieht so aus, als wolle man die ganze Anlage mit den Verwaltungsgebäuden verkaufen, möglicherweise muß der Skulpturenpark dann umziehen.“ Vielleicht zum Stammsitz der Metro in Grafenberg? An eine Öffnung ist jedenfalls nicht gedacht, der Park und die Kunstwerke müssten restauriert, eine ständige Aufsicht müsste eingerichtet werden.

In: Rheinische Post. Stadteilnachrichten. Linksrheinisch, 29. Juni 1999

Filmdosen voller Geschichte

Bekanntes aus Vorkriegs- und Kriegszeiten / Hunderte halfen

Die Düsseldorfer lassen sich doch nicht nur durch große Namen und Glitzerveranstaltungen - sogenannte Events - ins Museum locken. Zu hunderten strömten Düsseldorfer und „ausgewanderte“ Düsseldorfer ins Filmmuseum, als es darum ging, Bekanntes auf Streifen aus Vorkriegs- und Kriegszeiten wiederzuerkennen. Am 19. Oktober wird alles noch mal gezeigt, damit auch die zur Erforschung Düsseldorfer Geschichte beitragen können, die jetzt traurig gehen mußten, weil kein Platz mehr war.

Neu erleben

Ein Glücksfall ist dieser Fund von acht rostigen Filmdosen im Magazin des Museums. Selbst Josephine Honermann, Fachfrau für diese Dinge, und Thomas Bernhardt von der Düsseldorfer Geschichtswerkstatt haben noch nicht alles gesehen. Zum Ende dieses und zum Anfang des nächsten Jahrhunderts wird die Stadt ein Stück ihrer jüngeren Geschichte neu und bildhaft erleben können.

Jetzt wurde der Inhalt einer Filmdose gezeigt, ein Film aus den dreißiger Jahren, der andere aus dem Bombenkrieg. Die Zuschauer wurden aufgefordert, ihre Erkenntnisse und Vermutungen in den Raum zu rufen. War damit das Chaos programmiert, würden sich die Besserwisser in die Haare kriegen, würde manchem beim Anblick rauchender Trümmer, entstellter Leichen schlecht werden?

Nichts dergleichen, einige Besucher überzeugten bald durch genaue Sachkenntnis. Erstaunlich, wie viele Daten allein an den Straßenbahntypen der Rheinbahn festzumachen sind. Je länger alle zusahen, desto genauere Erinnerungen kehrten zurück. Sicher, es gab strittige Punkte, da wurde ein im Bombenhagel stehen gebliebener Kirchturm gleich drei verschiedenen Kirchen, schließlich aber der richtigen, zugeordnet. Als auf dem Film aus den dreißiger Jahren – vielmehr von 1940, da half die Rheinbahn weiter – die Zielangabe „Adolf-Hitler-Platz“ auftauchte, ging Gemurmel, aber kein freundliches, los. Das Personal auf den Bombenangriffsfilmen wurde so charakterisiert: „Die mit den Händen in den Taschen sind die Goldfasanen“, das waren Parteibonzen in Uniform. Bald war auch klar, daß der größte Teil des Filmmaterials von Amts wegen entstanden sein mußte: „Filmen durften nur Ritterkreuzträger und die Gaufilmstelle.“ Für den Normaldüsseldorfer galt „fotografieren und filmen verboten“.

Alle sind gespannt

Viel Wissen wurde gesammelt, neue Bekanntschaften wurden geschlossen, alte belebt und private Sammlungen von Düsseldorfer Bürgern zugänglich gemacht. Die Veranstalter, darunter die neue Direktorin des Filmmuseums, Dr. Sabine Lenk, und die Gäste waren begeistert, manch einer war aufgewühlt oder mußte den Kloß im Hals mit einem Becher Kaffee runterspülen. Und alle sind gespannt, was die anderen rostigen Filmdosen offenbaren werden.

Gerda Kaltwasser In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 19. August 1999

Neue Zeichnungen vom alten Schloss

Mit niederländischem Stammbaum Carl Theodors

700 Jahre gab es in Düsseldorf ein Residenzschloss, seit 100 Jahren gibt es davon nur noch den Schlossturm. Vor 125 Jahren wurde in Düsseldorf als erstes städtisches Museum das Stadtmuseum gegründet, 1874. Damals standen von dem im März 1872 ausgebrannten Schloss außer dem Turm noch die Mauern.

Manche Düsseldorfer hätten sie gern wieder mit höfischem Leben gefüllt gesehen, auch im fernen Berlin war man nicht abgeneigt. Aber die Stimmen, die eine neue Düsseldorfer Rheinfront forderten, waren lauter, ihnen standen die öden Mauern im Weg. 1898 war bis auf den Turm alles weggekarrt.

Aber der Schloss-Gedanke lebt wieder auf, nicht zuletzt dank des Museums-Jubiläums, das derzeit mit einem abwechslungsreichen, kostbaren Bilderbogen gefeiert wird, einer Ausstellung über Düsseldorf als Residenzstadt, in der das Schloss eine zentrale Rolle spielt.

Schon das zweite Buch

Gerade rechtzeitig vor Ablauf des Jubiläumsjahres ist das Buch „Burg und Schloß Düsseldorf“ erschienen, und zwar im Zusammenwirken mit dem Jülicher Geschichtsverein und dem Stadtgeschichtlichen Museum Jülich. Autoren sind der Düsseldorfer Architekt und Festungsforscher Dr. Edmund Spohr und der Kunsthistoriker Hatto Küffner.

Zur Erinnerung: Die Residenzstadt Düsseldorf ist hervorgegangen aus den vereinigten Herzogtümern Jülich, Kleve und Berg. Für Edmund Spohr ist das die Keimzelle des Landes Nordrhein-Westfalen, das 1946 entstand, Düsseldorf als frühere Residenzstadt ist also folgerichtig Landeshauptstadt.

Das neue Schloss-Buch ist das zweite im Jubiläumsjahr des Museums. Schon vor zwei Monaten ist eins im Droste-Verlag erschienen. Naturgemäß gleichen viele Bilder einander, kann man etliche Namen, keineswegs nur historische, parallel lesen. Und auch der Begriff einer Residenzstadt ist für einen Residenzstadt-Forscher wie Professor Wilhelm Janssen nicht eindeutig festgelegt, sondern Objekt weiterer Forschung.

Carl Theodor im Juni

Doch davon sollte sich der interessierte und ein wenig vorinformierte Laie nicht beirren lassen. Beide Bücher haben ihre Verdienste; über Fehler dürfen die Fachleute streiten; oft werden lateinische Begriffe über Generationen und Jahrhunderte hinweg falsch gedeutet. Und wenn in einem Bildtext das Ständehaus aus der Friedrichstadt mal eben an die Rheinfront versetzt wird, darf man das nicht für bare Münze nehmen.

Blättern wir also unvoreingenommen und wissbegierig in dem Buch mit seinen vielen exakten Karten, auf den neuesten Stand gebrachten Architekturzeichnungen wie die Rekonstruktion eines Umbauentwurfs von Domenico Martinelli von 1699; mit seinen Beweisen für eine reiche kulturelle Vergangenheit, die in Düsseldorf, anders als in Köln, immer wieder vergessen wird.

Anlass zum Erinnern gibt es ebenfalls immer wieder, so im Juni 2000, wenn aus Mannheim, der Residenz des Kurfürsten Carl Theodor, die große Ausstellung zu dessen 200. Todesjahr 1799 nach Düsseldorf kommt. Leckerbissen für Familienforscher: Das neue Schloss-Buch enthält die komplette niederländische Genealogie des Herrschers.

Edmund Spohr und Hatto Küffner: „Burg und Schloß Düsseldorf“, 208 Seiten, 300 Abbildungen, ISBN 3-933969-05-0, 54,80 Mark]

Gerda Kaltwasser In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 8. Dezember 1999