Frauen-Kultur-Archiv

Anna Klapheck Textforum
Texte 1973-1980

Zur Akademie gepilgert

Düsseldorfer Einfluß auf die Malerei Amerikas

Seit Beginn dieses Jahres reist eine Ausstellung durch einige Museen der Vereinigten Staaten, die Kunde von der einstigen Düsseldorfer Kunstakademie nach Amerika bringt. Vereinbart wurde sie von dem Düsseldorfer Museumsleiter Dr. Wend von Kalnein und dem Direktor des High Museum of Art in Atlanta, Georgia, Gudmund Vigtel. Vigtel besuchte 1970 auf einer Reise durch deutsche Museen auch die Düsseldorfer Sammlungen. Sein Interesse galt hier besonders den Düsseldorfer Malern, die im 19. Jahrhundert junge amerikanische Kunstschüler ausgebildet hatten. Eine Gegenüberstellung von Arbeiten der Lehrenden und der Lernenden versprach vielseitige Aufschlüsse.

Wend von Kalnein erklärte sich bereit, eine größere Anzahl von Aquarellen und Zeichnungen Düsseldorfer Künstler als Leihgabe nach Amerika zu schicken; in Amerika wurde eine Auswahl von Blättern amerikanischer Künstler zusammengestellt, und zwar ausnahmslos von solchen, die in Düsseldorf studiert hatten. Große amerikanische Institute, u.a. das Metropolitan Museum New York, die Kongreßbücherei Washington, die Harvard-Universität, stellten Leihgaben zur Verfügung. Ein besonderer Kenner der amerikanischen Kunst des 19. Jahrhunderts, für die heute, ähnlich wie in Europa, ein ungewöhnliches Interesse besteht, Donelson F. Hoopes (Los Angeles), wurde zur Mitarbeit herangezogen; er schrieb den klaren und instruktiven Beitrag zum englisch abgefaßten Katalog: „The Düsseldorf Academy and the Americans“. Von deutscher Seite unterrichtet Wend von Kalnein über die Akademie.

Das „goldne Zeitalter“ der Düsseldorfer Akademie begann 1826 mit der Berufung Schadows zu ihrem Leiter. Bald gewann das Institut internationalen Ruhm; besonders aus Skandinavien strömten ihm die Schüler zu. Ihnen folgten die Amerikaner. In den vierziger Jahren setzten wahre „Pilgerfahrten“ junger amerikanischer Künstler nach Düsseldorf ein; man erwartete dort die Summe von allem, was die Amerikaner im Reich der Malerei damals für bewundernswert hielten.

Als erster wichtiger amerikanischer Künstler kam 1841 Emanuel Leutze nach Düsseldorf; er war von deutscher Herkunft, aber schon als Kind nach Amerika verpflanzt worden. 14 Jahre blieb er, mit einigen Unterbrechungen, in Düsseldorf, erst als Schüler Lessings, dann als selber Lehrender. Von Lessing übernahm er die Vorliebe für das große Historienbild und die Landschaft; für beides bringt die Ausstellung, wie dem reich bebilderten Katalog zu entnehmen ist, charakteristische Beispiele. Sie enthält auch eine erste Skizze für Leutzes berühmtes Bild „Washingtons Übergang über den Delaware“, das heute dem New Yorker Metropolitan Museum gehört.

Das Bild entstand noch in Düsseldorf. Leutzes Atelier, so wird berichtet, war eine große Halle, in der sechs Künstler bequem arbeiten konnten. Hier trafen sich vor allem die Amerikaner, die das Fortschreiten der Arbeit verfolgten und darüber nach Amerika berichteten. Leutzes Freund Johnson kopierte das Bild in verkleinertem Maßstab; nach dieser Kopie wurde ein Druck angefertigt, der in ganz Amerika Verbreitung fand.

Leutzes Bild ging in Amerika schon ein beachtliches Renommee voraus, ehe es 1851 dann selber eintraf. Leutze war sicher auch derjenige, durch den das Interesse für die Düsseldorfer Malerei in weite Kreise Amerikas drang. Im Jahre 1849 wurde in New York eine „Düsseldorf Gallery“ eröffnet. Die Bilder, besonders die von Hasenclever, wurden in der Presse enthusiastisch gefeiert; die neuen Sujets, die technische Perfektion wurden bewundert. Die Galerie galt als eine der besten Sammlungen, die je in den Staaten zu sehen waren. Sie bestand bis 1862. Als die Bewunderung für die Düsseldorfer Schule dahinschmolz, wurde der Rest schließlich versteigert.

Neben Lessing und Leutze beeinflußten vor allem Andreas Achenbach, Hasenclever, Sohn, Preyer die jungen Amerikaner. Manche persönliche Freundschaft wurde geknüpft, gemeinsam ging es mit dem Skizzenbuch hinaus in Düsseldorfs Umgebung. Der Maler Whittredge unternahm mit Lessing eine Reise in den Harz. Zwischen den Blättern der Amerikaner und denen der Deutschen gibt es einen erstaunlichen Gleichklang.

Früh wurde freilich bei den Amerikanern auch schon Kritik an der Düsseldorfer Kunst wach. Aus den Memoiren, die einige Amerikaner schrieben, und aus erhalten gebliebenen Briefen sind wir über alle diese Wandlungen genau informiert. Man fand die Düsseldorfer Bilder, besonders die der Historien- und Genremalerei, theatralisch, erstarrt, zu routiniert. Man vermißte, bei aller Detailtreue, die wirkliche Lebensnähe. So kam es, daß die Amerikaner seit den sechziger Jahren mehr und mehr ausblieben oder nur auf der Durchreise Düsseldorf berührten. In München bei Leibl und später in Paris bei Courbet und Manet fanden sie weit mehr das, was sie suchten.

Die Beziehungen zwischen Amerika und der Düsseldorfer Akademie blieben eine Episode. Für die amerikanischen Künstler, die in jungen Jahren in Düsseldorf gelebt und studiert hatten, bedeutete diese Zeit jedoch eine bleibende Verbindung zu den Traditionen der Alten Welt und ein Ausbrechen aus dem eignen Provinzialismus in internationale Weite.

In: Rheinische Post, 10. März 1973.

Die Objekte sprechen lassen

Düsseldorfs „Stadtgeschichtliches Museum“ in neuer Gestalt

Das nach mehrjähriger Bauzeit nun in nahezu vollständiger Gestalt neueröffnete „Stadtgeschichtliche Museum“ ist zum ebenbürtigen Partner der übrigen Düsseldorfer Kulturinstitute geworden. Doch hat es eine unbestrittene Sonderstellung. Obwohl es voll ist von Kunst und vom Bau her selbst beinahe ein Kunstdenkmal, will es doch kein „Kunstmuseum“ sein. Und noch weniger ein bloßer Stapelplatz historischer Objekte. Die Kunst soll der Historie dienen, sie farbig und lebendig machen, getreu dem Wort von Jacob Burckhardt: „Jede Zeit schreibt ihre Geschichte in den Kunstwerken, die sie schafft.“

Das Museum blickt auf eine mehr als 100jährige Geschichte zurück. Auf Betreiben der Bürgerschaft wurde es 1874 als „Historisches Museum“ gegründet, großzügige Schenkungen bildeten den Grundstock. So wie es den Namen wechselte, hat es auch sein Domizil häufig wechseln müssen. Die vorausgegangene Unterbringung im Schloß Jägerhof war wohl reizvoll, für die Darstellung historischer Zusammenhänge aber denkbar ungeeignet. Da bot sich der Stadt in den sechziger Jahren die Gelegenheit, den großen, wenn auch stark kriegsgeschädigten Komplex des einstigen Palais der Grafen Spee zu erwerben, der denn auch gleich zur Aufnahme des Museums bestimmt wurde. In mühevoller Arbeit wurde zunächst der um einen Innenhof gelagerte Ostflügel museumsgerecht hergerichtet und 1975 der Öffentlichkeit übergeben. Mit dem völlig neuerbauten Westflügel bietet der gesamte Bau nun ein einheitliches Bild.

Die Darstellung reicht von den Bodenfunden der Vor- und Frühgeschichte bis annähernd zum Jahre 1914. Nach Möglichkeit soll in einem späteren Erweiterungsbau die letzte Phase der Stadtgeschichte veranschaulicht werden. Immer war man bemüht, die Objekte selbst sprechen zu lassen, Schwerpunkte zu setzen, Öffentliches und Privates nebeneinanderzustellen. Vordringlich blieb immer der Gedanke, daß wir uns in einem Privathaus befinden und ein Stück Privatheit in den historischen Ablauf hineinzunehmen ist. Alten Tapetenresten war man auf der Spur, kostbare Möbel wurden erworben, so der Oeder-Schrank und die Salonmöbel aus dem Palais Schaumburg, beides aus der Zeit des Jugendstils. Aber auch aus unbeachtetem Trödel kam manches wirkungsvolle Stück ans Licht.

Wichtig schien es auch, in den Sammlungen die Stadtgeschichte mit der Landesgeschichte zu verbinden. Düsseldorf war die meiste Zeit Sitz der Regierung, eine verzweigte Dynastengeschichte spielt in die Stadtgeschichte hinein. An das bürgerliche Düsseldorf, an die Zeit Jan Wellems, seiner Vorgänger und Nachfolger erinnern die Räume des Ostflügels. Auch hier konnte Neues eingefügt werden. So erstrahlen die nach dem Kriege gefundenen drei Sandsteinfiguren der „Jahreszeiten“ (die vierte fehlt) in neuem Glanz und erinnern an den reichen Skulpturenschmuck der einstigen höfischen Gärten, von dem so vieles durch unglückliche Verkettung später abtransportiert worden ist.

Der neuerbaute Westflügel läßt die Geschichte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts aufleben. Hier klingen Namen und Ereignisse an, die uns noch voll gegenwärtig sind: die von den Bürgern so ungern akzeptierte preußische Verwaltung, die Freiheitsbewegung von 1848 mit dem Namen Freiligrath und Lassalle und die im gleichen Jahr erfolgte Gründung des „Malkastens“. An Heine wird erinnert, wir stoßen auf den Flügel, auf dem Schumann, bereits krank, zuletzt noch gespielt hat.

Wir erleben den Aufstieg Düsseldorfs zur Großstadt und werden immer wieder auf die für die Stadt so charakteristische Verbindung von Kunst und Industrie hingewiesen. Aus zahlreichen Porträts sehen sie uns an: die Wirtschaftsführer und Firmengründer, die Künstler, die der Stadt das Gepräge gaben und zum Ruhm der großen Ausstellungen beitrugen. Noch war es eine intakte Welt, in der sich das Leben abspielte – eine liebenswürdige Sammlung alter Plakate vergegenwärtigt uns, was den Menschen damals wichtig war: Sängerwettstreit, Schützenfeste, Verlosung im Malkasten, aber auch bereits die berühmten Niederrheinischen Musikfeste und die Kunstausstellungen.

Im Erdgeschoß des Neubaus fanden die Denkmäler der Vor- und Frühgeschichte eine neue Unterkunft, eine karolingische Flügellanze gehört zu den seltenen Stücken. Im übrigen gibt es hier einen großen Raum für Sonderveranstaltungen: Zum Auftakt wird das aktuelle Thema „Menschen und Ereignisse der 20er Jahre“ demonstriert. Literatur, bildende Kunst und Musik drängten damals nach neuen Ausdrucksformen und legten den Grund zu unserem modernen Weltbild. Daß die bildende Kunst in der alten Akademiestadt den Vorrang hatte, liegt auf der Hand, und so nehmen die Bilder und Skulpturen aus dem Kreis des „Jungen Rheinland“ und der Künstlergruppe um die resolute Künstlermutter Johanna Ey einen besonders breiten Raum ein. Doch auch die Gesoleibauten, Haus Eulenberg, das Theater der Dumont-Lindemann sind in das großangelegte Spektrum einbezogen. Bis zur Neuorganisation der Kunstakademie unter Kaesbach und zur Berufung von Paul Klee nach Düsseldorf reicht der Bericht.

Bei aller Lebendigkeit der Darstellung will das Museum doch auch eine Studiensammlung sein. In Schubladenvitrinen ist vieles aufbewahrt, was nicht dauernd gezeigt werden kann. Eine Kostbarkeit besonderer Art sind die kolorierten Illustrationen des Graminaeus zur „Jülich’schen Hochzeit 1585“, ein fortlaufender Bildbericht, der nur dadurch zu geben war, daß das seltene Exemplar des Buches zum Zweck der Restaurierung vorübergehend auseinandergenommen wurde.

Gedankt werden muß am Schluß all denen, die in mühevoller Arbeit diesen Museumsbau zum glücklichen Abschluß brachten: an erster Stelle der Leiterin Frau Dr. Meta Patas und ihrer Mitarbeiterin Dr. Irene Markowitz, aber auch den vielen anderen Helfern, die mit persönlichem Einsatz zum Gelingen beigetragen haben.

Anna Klapheck
In: Rheinische Post. Wissenschaft und Bildung, 18. Januar 1978

Schrittmacher der Romantik

Vor-Wort zur Schau „Düsseldorfer Malerschule“

„Die Geschichte hat also . . . den Propheten unrecht gegeben, die den Düsseldorfern als den Bringern des Vollendeten huldigten. Denn kein Hahn kräht mehr nach ihren Werken“. Dies schrieb der bedeutende Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt in seiner 1899 erschienenen, mehrmals neu aufgelegten Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts.

Lange Zeit schien es, als solle Gurlitt recht behalten. Die einst so bewunderten Geschichtsbilder, nun zu historischen „Schinken“ degradiert, die gemütvollen biblischen Szenen und das hochgerühmte „Genre“ verschwanden aus der Öffentlichkeit, die Preise sanken, und in den Museen wanderte das meiste in die Depots. Einzig die Porträts und die Landschaften behielten eine gewisse Gültigkeit, doch ist in ihnen das „Düsseldorfische“ nicht so rein ausgeprägt.

Nur „zeittümlich“?

Gurlitt hatte dem Akademiedirektor Wilhelm Schadow, dem Haupt und Gründer der Schule, dem Nachfolger von Peter Cornelius, immerhin noch eingeräumt, er sei eine „zeittümliche“ Erscheinung und bleibe als solcher „bemerkenswert“. In den späteren Darstellungen des 19. Jahrhunderts (Hildebrandt, Hamann, Beenken, Hofmann) ist das Kapitel „Düsseldorfer Schule“ nahezu gestrichen. Die lokale Forschung befaßte sich wohl mit einzelnen Künstlern, doch seit Schaarschmidts Werk „Zur Geschichte der Düsseldorfer Kunst“ von 1902 hat man 60 Jahre lang nichts Zusammenfassendes über das Thema geschrieben. Zu erwähnen ist einzig der kluge Walter Cohen (er fiel dem Hitlerregime zum Opfer), der in seinem schmalen Bändchen „Hundert Jahre rheinischer Malerei“ (1924) die in ihrer Einseitigkeit ungerechte Verurteilung der Düsseldorfer Malerschule nachdrücklich mißbilligt.

So war von dem ganzen Glanz der Schule, die ein halbes Jahrhundert lang kosmopolitische Ausweitung hatte, eigentlich nur eines übrig geblieben: die bis heute dem Stadtnamen so gern angeheftete Bezeichnung „Kunststadt“. Was ist eigentlich eine Kunststadt? Niemand hat je von einer Kunststadt Rom oder Paris gesprochen. Der Begriff „Kunststadt“ ist erwachsen aus dem bürgerlichen Bildungsbewußtsein des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, als Kunst nahezu gleichbedeutend war mit Tafelmalerei, Kunstschule und Bilderausstellungen. Gewiß hätte es ohne Jan Wellem und seine Galerie keine Kunstakademie gegeben. Aber das mit Kunstwerken vollgestopfte alte Herzogschloß am Rhein öffnete erst 50 Jahre nach Jan Wellems Tod seine Pforten für den allgemeinen Besuch. Künstler, Gelehrte fanden sich ein. Zur „Kunststadt“ wurde Düsseldorf erst durch seine Malerakademie des 19. Jahrhunderts, deren Werke nun auch das Bürgertum erreichten.

Den Beteiligten an dieser Entwicklung mag freilich kein Zweifel am historischen Rang ihrer Epoche gekommen sein. Schadow verkündete, daß seit Raffael und Michelangelo nichts Besseres gemacht worden sei als der „Jeremias“ seines jungen Freundes Bendemann. Und lief denn nicht alles aufs beste? Aus allen Ländern strömten die Kunsteleven nach Düsseldorf. Die Kunstgeschichte hat uns zwar gelehrt, daß das Publikum im Vergleich zum Künstler „eine Uhr ist, die nachgeht“ – in Düsseldorf trat der seltene Fall ein, daß sich Publikum und Künstlerschaft in voller Übereinstimmung miteinander fanden. In der unter Schadows mächtigem Regime herausgebildeten Kunst fand der Bürger die eigene Auffassung von „Schönheit“ und die eignen Moralbegriffe bestätigt.

Kleinere Meister

Bald war es der Ehrgeiz eines jeden Bürgers, die Wände seines Hauses mit den vaterstädtischen Bildern in den breiten Goldrahmen zu schmücken. Und wenn es zu den Werken der Berühmten nicht reichte, so gab es genug kleinere Meister, deren Gemälde auch bei schmalerem Geldbeutel erschwinglich waren. Zufrieden waren auch die Rahmenmacher, (1854 Gründung Conzen), die in der Kunst des Vergoldens Meisterschaft erreichten. Zufrieden war der mit Macht einsetzende Kunsthandel (ab 1850 die „Permanente Kunstausstellung“ bei Schulte, 1867 Gründung Paffrath). Der 1829 gegründete „Kunstverein“ wurde zum Zentrum aller an Kunst interessierter Kreise. Zufrieden waren die Besitzer der Altstadtkneipen, in denen sich das international zusammengesetzte „Künstlervölkchen“ tummelte.

Die riesige Nachfrage ließ schließlich auch die Künstler zum Wohlstand kommen. Rund um den Hofgarten entstanden ganze Straßenzüge von Malerhäusern, kenntlich an den großen Atelierfenstern nach Norden, in denen von der Kunst des Hausherrn relativ sorglos gelebt werden konnte. Ich habe die letzten dieser Häuser noch gekannt: die mit Bildern übersäten Wände der hohen Zimmer, die angegrauten Stuckdecken, die mit Teppichen belegten Ateliers mit ihrem Geruch nach Terpentin und nach Mottenpulver, das in die schweren Kostümkisten gestreut war. Der Hausherr in der Samtjacke, liebenswürdig, gebildet, oftmals Sammler alter Möbel und alten Geräts, mit zunehmenden Jahren immer verwunderter über die Wandlung der Zeit. Der Zweite Weltkrieg hat nichts davon übrig gelassen.

Nicht aus dem Publikum, sondern von den Künstlern selbst kam die erste Kritik. Ihnen blieb das Mißverhältnis zwischen Ruhm und Leistung auf die Dauer nicht verborgen. Rethel schied aus der Akademie aus, weil er mit Schadows starrer Lehre nicht übereinstimmte. Skeptisch beurteilte der Dichter Immermann die Allmacht Schadows und schrieb in seinem Buch „Düsseldorfer Anfänge“ (1840), daß man sich krümmen und wenden müsse, „um das öffentliche Geheimnis nicht laut werden zu lassen: daß Schadow kein Genie sei“. Angesichts der Fresken der Apollinariskirche in Remagen bemerkt er respektlos: „Tragen denn diese zärtelnden Engel . . . die Bürgschaft langen Lebens in sich?“

Auch die politischen Ereignisse brachten vorübergehend Unruhe in das friedliche Eiland. Daß der „Malkasten“ ein echtes 48er-Kind ist, hervorgegangen aus dem Hochgefühl des „tollen“ Jahres, wird oft vergessen. Die freie Künstlerschaft, die sich hier zusammengefunden hatte, stand anfangs in offener Opposition zu Schadow und seiner Akademie. Später ließ sich Schadow dann doch als Mitglied aufnehmen, und der Freundschaftsbund zwischen Akademie und freier Künstlerschaft war besiegelt.

Dennoch mußte eines Tages der Abstieg kommen. Die Übergabe der Akademieleitung von Schadow an Bendemann (1859) änderte zunächst freilich wenig. Nur erhielt die Landschaftsmalerei, die unter Schadow noch zu den „minderen“ Künsten zählte, unter Schirmer und seinen Schülern erhöhte Bedeutung. Das Vordringen des Naturalismus und in der Folge auch des Impressionismus war unaufhaltsam. Man war müde geworden einer Kunst, die nur auf „Inhalt“ und den hohen „Gedanken“ zielte, die der historischen und literarischen Bildung bedurfte, um ein Bild verstehen zu können, (etwa Sohns „Tasso und die beiden Leonoren“, Hildebrandts „Ermordung der Söhne Eduards IV.“). „Die Kunst flieht, wenn ihr eure Taten mit dem historischen Zeltdach überspannt“, schrieb Nietzsche in seinen „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ (1873). Das Auge verlangte endlich sein Recht.

Es hat merkwürdig lange gedauert, bis man sich in Düsseldorf von den überkommenen Vorstellungen löste. Sittenbild, Historienmalerei, und die nazarenische Richtung behaupteten sich bis ins neue Jahrhundert. Erst in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg fand Düsseldorf Anschluß an die europäischen Kunstströmungen.

Düsseldorf war mit die erste Stadt, die nach den Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges in leidlich verschonter Umgebung sein Museum wieder eröffnen konnte. Bereits 1948 zeigte der damalige Museumsdirektor Dr. Doede eine Ausstellung „Hundert Jahre Düsseldorfer Malerei“, bei der die aus ihren Bergungsorten zurückgeholten, um Leihgaben vermehrten Werke der eigentlichen „Düsseldorfer Schule“ dominierten. Doch damals lagen uns ganz andere Dinge am Herzen. Mit Pathos und „Inhalt“ waren wir zwölf Jahre lang abgespeist worden, nun wollten wir endlich wissen, was sich in der Welt draußen inzwischen ereignet hatte. Die Bilder in den breiten Goldrahmen erschienen uns wie eine liebenswerte, letztlich jedoch belanglose Erinnerung.

Doch die Geschichte korrigiert sich immer aufs neue. Das 19. Jahrhundert wurde „aufgewertet“, der historische Abstand führte zu neuen Maßstäben. Künstler, die jahrelang ein herabsetzendes, bis ans Lächerliche reichendes Etikett mit sich herumzutragen hatten, zeigten sich in Ausstellungen plötzlich in verändertem Licht: Böcklin, Makart, die Nazarener. So gewann auch die „Düsseldorfer Malerschule“ unerwartete Aktualität, und die Preise stiegen sprunghaft.

DDR-Darstellung

Das Düsseldorfer Museum legte 1969 die von Irene Markowitz sorgfältig bearbeitete Bestandsaufnahme des eigenen Bilderbesitzes vor. Eine erste zusammenfassende Darstellung des lange beiseite geschobenen Themas kam merkwürdigerweise – aber so merkwürdig ist es auch wieder nicht – aus dem anderen Teil Deutschlands: Wolfgang Hütts „Die Düsseldorfer Malerschule“ (Leipzig 1964). Der Zusammenhang zwischen der Düsseldorfer Malerei und der „Gesellschaft“, von der sie getragen war, ist sicher eng, und der Verfasser versäumt es denn auch nicht, „den geschichtlichen Prozeß von der Warte des historischen Materialismus aus“ darzustellen und den „gesellschaftskritischen Tendenzen“ der Düsseldorfer Kunst, die zeitweilig zweifellos auch vorhanden waren, nachzuspüren. Trotz mancher Einseitigkeit ist das Buch nicht ohne Interesse.

Und nun erwartet uns die große Inszenierung der „Düsseldorfer Malerschule“ im Düsseldorfer Kunstmuseum. Sie ist die Abschiedsgabe des scheidenden Museumsdirektors Wend von Kalnein, der sich seit Jahren mit dem Thema befaßt hat und besonders den internationalen Verknüpfungen der Schule nachgegangen ist. Wir schulden ihm aufrichtig Dank für die geleistete Arbeit.

Diese Zeilen wurden geschrieben, ehe die Ausstellung zu besichtigen war und auch ohne Kenntnis des angekündigten Katalogs, der sicher für lange Zeit ein gültiges Kompendium der Düsseldorfer Malerei sein wird. Was uns diese Kunst heute noch zu sagen hat, darüber müssen nun die Bilder selbst Auskunft geben.

Anna Klapheck
In: Rheinische Post.12. Mai 1979

Tempel der Wahrheit und der Schönheit

Vor 100 Jahren wurde die neue Kunstakademie eingeweiht

Kriege und Katastrophen, so will es die Geschichte, zerstören nicht nur, sie bewirken auch Neues. Die Düsseldorfer Kunstakademie hat dies mehrmals erfahren. Im Oktober 1794 vernichtete ein auf Düsseldorf gerichtetes Bombardement der Franzosen große Teile des alten Herzogschlosses am Rhein. Es wurde wieder aufgebaut, und als Peter Cornelius durch königliches Dekret 1821 die Leitung und Reorganisation der Schule übernahm, wurde ihr das Schloß als Domizil zugewiesen. Der Ruhm der „Düsseldorfer Malerschule“ ist mit diesem Gebäude verbunden.

Knapp 80 Jahre später, 1872, zerstörte ein verheerender Brand drei Flügel des Schlosses (nur das Galeriegebäude, in dem die Reste der nach München transportierten Sammlung aufbewahrt wurden, blieb verschont), mit den Bildern auch die Sammlung der Zeichnungen und Kupferstiche, der Ramboux’schen Kopien alter Meister, der Gipse und die Bibliothek. Der Maler Andreas Müller, Verwalter der Sammlungen, habe, so wird berichtet, den Inhalt des eignen Ateliers geopfert, um die Sammlung zu retten. Viele Ateliers brannten völlig aus.

Abermals richteten sich die Gedanken zunächst auf einen Wiederaufbau, doch bald wurde, vor allem innerhalb des Kollegiums, der Wunsch nach einem neuen Gebäude an anderer Stelle immer dringlicher. Nach langem Zögern, das besonders die Kosten betraf, gab das Ministerium schließlich seine Zustimmung. Als Gelände wurde schon bald das schmale Grundstück an der Südseite des sogenannten „Sicherheitshafens“ bestimmt, das den für die Künstler von damals außerordentlichen Vorteil einer langen, unverbaubaren Nordfront bot. Zum Architekten wählte man den jungen Hermann Riffart aus Köln. Mit dem Bau wurde 1875 begonnen, am 20. Oktober 1879, vor 100 Jahren also, wurde das Haus festlich eingeweiht. (Baukosten: 1 315 000 Mark).

Das Gebäude, mit einer Front von 158 Meter Länge, trägt die Merkmale seiner Entstehungszeit. Als „historisierendes“ Baudenkmal wurde es von der späteren Generation mißachtet und übersehen, der „Dehio“ erwähnt es nicht. Heute empfinden wir den Bau als einen wichtigen Akzent im Stadtbild und als ein Monument, das Repräsentanz mit nobler Zurückhaltung und die Würde eines Palastes mit einem „Zweckbau“ im Schinkelschen Sinne verbindet. Eva Brües ist der Baugeschichte nachgegangen (in der Schrift zum 200jährigen Bestehen der Akademie).

Es gehört Mut dazu, auf schmalem Grundriß eine Gebäude nur auf eine lange, von West nach Ost reichende Schauseite hin zu komponieren. Drei Risalite, Erinnerung an den barocken Schloßbau, springen unauffällig vor, ohne den Ateliers das Licht zu entziehen. Ein reiches, im einzelnen der italienischen Renaissance nachgebildetes Schmucksystem mit Säulen, Pilastern, Nischen und Bögen belebt den Baukern und nimmt ihm doch nichts von seiner Ruhe. Mut bedeutet es auch, einen „Palast“ dieser Art mit keinem wirkungsvollen Haupteingang in der Mitte zu versehen (die räumliche Situation ließ dies nicht zu) – der Eingang liegt vielmehr unauffällig an der östlichen Schmalseite.

Zwischen Erdgeschoß und 1. Stockwerk läuft ein Fries entlang, dem 62 Künstlernamen eingemeißelt sind. Um die Rangfolge der Künstler und ihre Platzierung gab es heftige Dispute, einig war man sich darin, die Namen Rafael, Michelangelo, Leonardo, die „Krone der Malerei“, am Mittelrisalit anzubringen. Die Lebenden bleiben ausgeschlossen, doch findet man die Namen Cornelius und Schadow und sogar Winckelmann und Schinkel.

Die Anordnung im Inneren ist vom praktischen Gebrauch bestimmt und blieb bis heute annähernd beibehalten. Gleichmäßig reihen sich die Ateliers aneinander, größere für die Monumentalmalerei, kleinere für die Tafelmalerei. Lehrer- und Schülerateliers waren nach Möglichkeit benachbart, damit die Lernenden an der Arbeit des Lehrers teilnehmen konnten. Die Aula wurde nach langem Hin und Her in den 2. Stock verlegt, wo anfangs die Reste der kurfürstlichen Sammlung öffentlich zu besichtigen waren. Später brachte man sie ins Erdgeschoß, und die Aula erhielt ihre eigne „harmonische Ausschmückung“ mit Kaminen, Deckenbildern und einem Fries des Akademiedirektors Peter Janssen. Der letzte Krieg hat alles, was davon übrig war, zerstört.

Acht Jahre nach Fertigstellung des Gebäudes wurde der Hafen zugeschüttet und auf dem neugewonnenen Gelände in Art eines Gewächshauses ein „Freilichtatelier“ errichtet, in das auch lebende Tiere Einlaß fanden. Unter schützendem Dach erfreute man sich des „Pleinair“.

Über die Einweihungsfeier des neuen Gebäudes haben wir einen ausführlichen Bericht von Karl Woermann, dem Vertreter der Kunstwissenschaft, der auch die Festrede hielt. Seltsam sind bei diesem „Festact“ Wilhelminisches Pathos und nachdenklichere Töne vermischt. Zu Beginn ein Dank an den Kaiser, den „Großherzigsten, Allergnädigsten Beschützer alles Guten und Schönen“, die Büsten des Herrscherpaares waren zu seiten der Rubensschen „Himmelfahrt Mariä“ postiert. Vaterländische Gesinnung sprach auch aus den Reden der Exzellenzen.

Woermann hingegen beschwor die Freiheit der Kunst und wandte sich gegen „die verknöcherten Methoden“ vergangener Zeiten. Er gedachte der „genialen Neuerer“, die sich durch das Studium der Natur dem Regelzwang entzogen. Das neue Haus, so schloß er, sei „ein heiliger Tempel der Wahrheit und der Schönheit“. – Mit einem Festessen in der Tonhalle klang die Feier aus, und unser Chronist versäumt es auch nicht, das Festmenü zu nennen: außer Suppe und Dessert bestand es aus fünf Gängen, darunter Krammetsvögel mit Sauerkraut, Rheinsalm, Rehfilet und Brüsseler Poularden.

Der Neubau war eingerichtet für 22 Lehrer und maximal 220 Schüler, heute sind es rund 50 vollbeschäftigte Lehrer und zur Zeit 580 Schüler. Seit dem bescheidenen Wiederbeginn 1946 im halbzerstörten Gebäude sind eine große Anzahl neuer Disziplinen zu den alten hinzugekommen: Bühnenkunst, Photographie, Film, dazu wissenschaftliche Fächer im Rahmen der Kunsterziehung. So erweist sich das alte Haus zunehmend als zu klein. Ein teilweiser Ausbau des Dachgeschoßes und das kleine Atelierhaus westlich des Gebäudes (nach Plänen von R. Schwarz) reichen nicht aus. Andere Erweiterungspläne blieben in der Schublade.

Seit 1958 sind Verhandlungen im Gang, wonach das Land von der Stadt das benachbarte Grundstück und Haus der „Pfandleihe“ erwerben möchte. Hier böte sich Raum für die dringend benötigten künstlerisch-technischen Werkstätten und Labors. Der alte Bau würde damit entlastet und könnte den Charakter einer rein künstlerischen Ausbildungsstätte zurückgewinnen. Man kann nur hoffen, daß die langen Verhandlungen bald zu einem befriedigenden Abschluß kommen.

In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 20. Oktober 1979.

Vom Räumchen zum Herrenhaus

Erinnerungen an Alfred Schmela

Schon vorher hatte es allerhand Geraune gegeben: da war ein nahezu unbekannter Maler, oder vielleicht war er auch Architekt, und mit Bildern handelte er wohl auch gelegentlich – dieser Mann von knapp vierzig wollte demnächst mitten in der Altstadt eine Galerie aufmachen, ein bißchen in der Art der kleinen Pariser Avantgardegalerien in den engen Gassen rund um St. Germain-des-Près.

Eine neue Galerie, das war damals, als es nur etwa ein halbes Dutzend Galerien in Düsseldorf gab, eine aufregende Sache. Genau einen Monat zuvor hatte der ernste Jean-Pierre Wilhelm drüben in der Kaiserstraße seine „Galerie 22“ eröffnet, auch da gab es jüngste Kunst zu sehen, und es wehte von Frankreich herüber. Und nun abermals eine festliche Vernissage, Hunsrückenstraße, gleich neben dem Kom(m)ödchen, das verhieß eine kleine Sensation. Ein französischer Text war vorher ins Haus geflattert, der die „Propositions Monochromes“ des französischen Malers Yves Klein ankündigte. Düsseldorf rückte also mächtig vor im internationalen Kunstgeschäft.

Unvergessen jener milde Juni-Abend 1957. Das Räumchen erwies sich als beträchtlich zu klein, nur schubweise wurde man eingelassen, so machte das ganze Sträßchen mit im heiteren Spiel. Lachend kamen die meisten wieder heraus aus dem Sälchen, denn was es da zu sehen gab, die einfarbig rot und blau angestrichenen Tafeln des Herrn Yves, der selbst zugegen war, das konnte doch nur ein Spaß sein oder allenfalls ein verspäteter Neuaufguß von Dada. Herr Schmela, der bärtige Hausherr, nahm es auch gar nicht übel, daß seine Eröffnung zum heiteren Fest geriet. Im stillen wird er wohl gedacht haben: wartet nur ab, aus dem Spaß kann bald auch Ernst werden.

Es dauerte nicht lange, und „Yves le Monochrome“ war berühmt als Begründer einer weltweiten neuen Kunstrichtung, und heute, ein Vierteljahrhundert später, gehören Bilder des frühverstorbenen Yves zu den begehrtesten Objekten auf dem internationalen Kunstmarkt. So war es eigentlich immer: was bei Schmela Premiere hatte, war bald darauf in aller Munde.

Hier drehten sich Tinguelys Rädchen, als auch dieser Name noch kaum Klang hatte, hier veranstaltete, als „Aktionen“ noch Seltenheit waren, Mathieu sein „Schau-Malen“, hier zeigte Christo seine ersten Verpackungen, Arman seine Häufungen von Alltagsobjekten. Und so kam einer nach dem anderen, meist in eigener Person, aus allen Ländern und bald auch aus den USA, ins kleine Hauptquartier in der Hunsrückenstraße. Nicht zu vergessen auch die Düsseldorfer Zero-Gruppe und Joseph Beuys, die in Schmela ihren ersten Betreuer hatten. Hätte man bei jeder Ausstellung zugegriffen, man besäße heute, für nicht allzuviel Geld, ein kostbares Museum moderner Kunst.

Bald war Schmela heimisch geworden in Paris, London und New York und wuchs immer mehr über Düsseldorf hinaus. Ende der sechziger Jahre begann er mit dem Bau eines eignen Galeriehauses in der Mutter-Ey-Straße, des ersten ganz als Galerie geplanten Gebäudes. Während der Bauzeit betrieb er den Kunsthandel von seiner Wohnung in Oberkassel aus. Dort feierten wir am 23. November 1968 seinen 50. Geburtstag. Blumen, Flaschen häuften sich auf den Tischen. Seine engeren Künstlerfreunde wuchteten eine schwere Kiste nach oben, die mit viel Umstand geöffnet wurde: ein nacktes Mädchen entstieg ihr, entschwand aber eiligst im Nebenraum.

Schmela lachte herzhaft, er hatte Sinn für derbe Späße, liebte Alt-Bier und deftiges Essen. Trotz allen äußeren Erfolges, und längst ein Mann von Welt geworden, gab er sich bis zuletzt als ein Kind des Volkes. Wie ein französischer Kleinbürger spielte er sonntags Boule mit den Freunden. Seiner Witterung für die Kunst entsprach eine erstaunliche Menschenkenntnis. Er wußte immer, mit wem er es zu tun hatte, ich habe nie ein ordinäres Wort von ihm gehört. Unter rauher Schale war er verletzlich, im Umgang mit Frauen, auch mit seiner eignen tapferen Frau, konnte er sogar zartfühlend sein.

Wie es dann weiterging, wie er 1975 das stattliche Lantzsche Herrenhaus inmitten eines großen Parks in Lohausen bezog und dort ein Freilichtmuseum für moderne Plastik aufzubauen begann, darüber ist schon berichtet worden. Wieder bewunderte man seine Mut, seine Entschlußkraft. Nachdenklich aber sagte er einmal zu mir: „Da reden die Leute von Glück und Dusel und haben doch keine Ahnung, wieviel Schweiß das alles gekostet hat.“

Wenige erinnern sich noch, daß er sich 1963 auch im Auktionsgeschäft versucht hat. Die Veranstaltung im Großen Saal des Malkasten trug gesellschaftlichen Glanz. Vor mir liegt der schön ausgestattete Katalog, der viele stolze Namen enthält, bis hin zu Picasso. Ein Stilleben von Max Ernst (1925) wurde für 23 000 Mark, ein früher De Chirico für 40 000 Mark zugeschlagen, Magritte war für einige tausend Mark zu haben. Warum die Aktion dennoch kein rechter Erfolg war, ist schwer zu erklären. Vielleicht war der Zeitpunkt nicht günstig, die Konkurrenz zu groß. Schmela, unterstützt von seiner Frau, hielt gelassen durch und ließ sich keinen Unmut anmerken, aber es blieb bei dieser einen Auktion.

Ein Jahr ist es her, da traf bei schönstem Sommerwetter die gesamte rheinische Kunstwelt, die Künstler, die Sammler, die Händler, die Museumsleute, im Lantzschen Park zusammen. Schmela und seine Frau waren wie stets die generösen Gastgeber. Die hellen Kleider schimmerten unter den Bäumen wie auf einem impressionistischen Gemälde. Noch wirkte Schmela gesund wie eh und je und steckte voller Pläne. In der Erinnerung erscheint uns dieser heitere Sommertag wie eine Abschiedsfeier. Dann wurde es stiller um ihn, man sah ihn seltener, bei den letzten Begegnungen war eine eigne Weisheit zu spüren. Nun hat ihn der Tod allzu früh aus unserer Mitte gerissen. Er hinterläßt viel, aber er hinterläßt auch eine große Lücke.

Anna Klapheck
In: Rheinische Post. Feuilleton, 23. Juli 1980