Frauen-Kultur-Archiv

Gedenken an engagierte Frauen Düsseldorfs

Anneliese Ksiensik (1919 – 2010)

Anneliese Ksiensik – eine Brückenbauerin

Welchen Respekt sich Anneliese Ksiensik in der vielgestaltigen Düsseldorfer Frauenszene, repräsentiert im Düsseldorfer Frauenforum, erworben hatte, zeigte sich am 8. März 2000, als dieses Frauenforum im Düsseldorfer Rathaus zum 1. Mal in seiner Geschichte das Engagement von Bürgerinnen ehrte. Die 79jährige war die Erstgeehrte, die die Schmuckehrengabe in Empfang nehmen konnte.

 

Im Düsseldorfer Frauenforum vertrat sie den Katholischen Deutschen Frauenbund viele Jahre lang in einer Weise, der ihr Anerkennung und Sympathie über alle ideologischen Grenzen hinweg eintrug. Sie vertrat dezidiert und fundiert ihre Positionen, ohne andere zu verletzen. Sie bemühte sich um Ausgleich zwischen kontroversen Standpunkten und war dabei geistig so unabhängig, dass sie einen Standpunkt begründet vertrat, wohl wissend, dass dieser nicht immer mit dem des KDFB im Einklang stand. Sie pflegte dann in den Sitzungen im Rathaus zu sagen: „ich sehe das jetzt so, aber mein Verein wird dies nicht so sehen“.
(A. Ksiensik im Düsseldorfer Rathaus, 8. März 2000)

 

Zu ihren bleibenden Verdiensten gehört es, das Problem der geringen Renten von älteren Frauen in den öffentlichen Diskurs der Stadt eingebracht und an der Brücke zwischen den katholischen und evangelischen Frauenverbänden gebaut zu haben, was in gemeinsame 8.-März-Aktionen der christlichen Frauenverbände einmündete. Sie war – für ihre Generation sehr progressiv – eine Netzwerkerin, die durch ihre offene, klare und humorvolle Art auch junge Frauen für sich und ihre Überzeugungen gewinnen konnte. Auf diese Weise baute sie nicht nur Brücken zwischen den christlichen Frauenverbänden sondern auch zwischen den Repräsentantinnen der traditionsorientierten Frauenbewegung und der neuen Frauenbewegung.

 

Dass sie im 3. Reich als junge Christin die aus ihrem Glauben erwachsende Verantwortung offensiv vertrat, das hat sie als Selbstverständlichkeit angesehen und nicht als besondere Leistung. Umso mehr freuten wir uns, dass sie zum Stadtjubiläum 1989 von ihrem Wirken in der NS-Zeit berichtet hatte und wir diese Darstellung hier mitteilen konnten und hier erneut präsentieren können.

Ariane Neuhaus-Koch, Frauen-Kultur-Archiv

Anneliese Ksiensik zum Gedenken

Im Alter von 91 Jahren ist am 12. August des Jahres Frau Annelise Ksiensik, Jg. 1919, nach längerer Zeit in einem Pflegeheim in Düsseldorf verstorben. Sie war gläubig und wartete auf den Tod, der sie nun erlöst hat. Frau Ksiensik hat sich um die katholische Kirche und besonders auch um unseren Verband wirklich verdient gemacht. Schon mit 8 Jahren trat sie der franziskanischen Jugend bei; mit 10 Jahren wurde sie Mitglied der katholischen Jugend ihrer Pfarre und mit 13 Jahren Mitglied in der Jugendbewegung „Christi Reich“. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse allgemein musste sie dann mit 16 Jahren die katholische Marienschule verlassen. Von 1935 – 1944 war sie im Einzelhandel und in der Industrie tätig. Nach der Heirat 1944 arbeitete sie bis Kriegsende als Verwaltungsangestellte in Koblenz und 1946 bei der Militärregierung in Düsseldorf.

 

Mit 16 Jahren trat sie dem Jugendbund des Katholischen Deutschen Frauenbundes bei, dem sie bis 1944 angehörte. Während des Krieges wurde sie von der Gestapo verhört, weil sie Soldaten an der Front mit religiöser Literatur und kirchlichen Nachrichten versorgt hatte, zusammen mit ihrer Schwester. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder in den Jahren 1946 und 1949 trat sie schon 1946 dem Zweigverein Düsseldorf bei und widmete sich ab 1962, bis zu ihrem 80. Lebensjahr, dem Pfarrbesuchsdienst. 1972 wurde sie geschieden. Schon ab 1949 war sie berufstätig geworden, zunächst im Einzelhandel, später in der Verwaltung der LVA und der Kreishandwerkerschaft.

 

Frau Ksiensik zeichnete sich durch ein kluges, ehrliches und ausgewogenes Urteil aus, das überall geschätzt wurde. So vertrat sie vor allem unseren Zweigverein im Frauenforum, einem Zusammenschluss der unterschiedlichsten Frauenverbände, Initiativen und Richtungen. Dort setzte sie sich für die Probleme der älteren Frauen mit kleinen Renten ein und konnte die Lage der alleinerziehenden Mütter verdeutlichen. Am Internationalen Frauentag 2000 zeichnete das Frauenforum sie mit einem erstmals verliehenen Schmuckorden für ihre mutigen Stellungsnahmen aus. 2004, anlässlich ihres 85. Geburtstages, verlieh ihr der Hl. Vater auf Antrag des Zweigvereins den kirchlichen Orden „Pro ecclesia et pontifice“. Darüber hatte sie sich sehr freut und in ihrem Dankesbrief geschrieben: „Die Arbeit im KDFB war mir immer sehr wichtig, und ich bin stolz, was dieser Verband in den 100 Jahren alles geleistet hat. Unsere Nachfolgegeneration genießt alle Erfolge, die wir erkämpft haben“. Heute folgt ihre Tochter als Frauenbeauftragte ihren Spuren. Gott schenke Frau Ksiensik die ewige Ruhe!

Für den Zweigverein Düsseldorf: Dr. Marina R. Küppers

In: Mitteilungsblatt des KDFB, Zweigverein Düsseldorf e.V., 8/9 2010

Anna Elisabeth Ksiensik: Meine Aktivitäten im 3. Reich

Nach der Schulzeit wurde ich Mitglied im Jugendbund des Katholischen Frauenbundes. Inzwischen waren die meisten katholischen Jugendorganisationen durch die Nazis verboten worden. Wir durften uns nur rein religiös betätigen, das heißt es gab keine Reisen und Wanderungen, sondern nur Wallfahrten und Besinnungstage oder Exerzitien (…). Unter der Obhut des Katholischen Frauenbundes, besonderes durch Vermittlung von Frau Horion, konnten wir im Frauenbundhaus in Bendorf unsere Begegnungen abhalten. Wir feierten dort die Hochfeste; Ferienfreizeiten sowie Führerinnenschulungen wurden uns in diesem Haus ermöglicht. Wir wunderten uns oft, dass die Partei und die Gestapo uns in Ruhe ließen, waren aber auch bemüht, nicht aufzufallen.

 

Während meiner Berufstätigkeit bei der Firma Franzen hatte ich keinen Kontakt zu Parteigenossen und Nazis (…). Da ich in dieser Firma keine Aufstiegschancen hatte, wechselte ich meine Stelle und arbeitete in einem mittleren Industrieunternehmen in Neuss. Hier lernte ich erst den Einfluss der Nazis kennen, da es sich um einen sogenannten kriegswichtigen Betrieb handelte. Inzwischen waren unsere Brüder, Vettern und Freunde eingezogen worden und kämpften an allen Fronten. Es entstand eine lebhafte Korrespondenz mit ihnen, unter anderem über das Thema „Junger Tod“.

 

Es hatte nach dem Ersten Weltkrieg im Verlag Albert Langen/ Georg Müller ein Buch gegeben: „Kriegsbriefe gefallener Studenten“. Es interessierte uns sehr, und wir diskutierten und korrespondierten darüber, weil es zeigte, in welch elenden Tod die Kriegsbegeisterung führte. Zu unserer Korrespondenz gehörte auch die Euthanasie-Predigt des Bischofs von Galen in Münster. Das war am 3. August 1941. Ich hatte diese Predigt im Büro in Neuss im Zehnerblock (ein Original und neun Durchschläge) geschrieben.

 

Jemand muss mich bei der Gestapo angezeigt haben, denn eines Tages erschienen im Büro mit dem Betriebsobmann zwei Gestapobeamte und verhörten mich im Beisein meines Chefs, der kreidebleich war und heftig zitterte. Die Beamten waren bestens informiert und beanstandeten, dass ich nie im BDM und nicht in der Partei war. (…) Dann musste ich noch den Lieferanten der Predigt angeben, es war meine Schwester Maria. Sie wurde eine Woche später ins Polizeipräsidium Düsseldorf geholt und hatte es dort wesentlich schwerer, sich aus der Sache herauszureden. Da sie die Unterlagen von einer Lehrerin hatte, hatten wir schnell überlegen müssen, wen wir als Lieferanten angeben konnten, der nicht in einer Staatsstellung war.

 

Nach den Verhören durch die Gestapo überlegten wir, wie wir uns nun verhalten sollten, entschlossen uns aber, weiter die Soldaten im Feld mit unseren Briefen zu betreuen und sie zu informieren. Mein Bruder hatte inzwischen auch als Offizier Verbindung zum Widerstand aufgenommen. Er starb in Russland am 11. September 1942. Auch viele unserer Vettern und Freunde waren bereits gefallen. Wir hatten inzwischen eine Schreibmaschine organisiert und arbeiteten noch einige Zeit im Luftschutzkeller weiter. Meine Schwester studierte dann in Bonn und später in Tübingen. Nach meiner Heirat am 15. Mai 1944 zog ich aufs Land in die Nähe von Koblenz und war so der Polizei in Düsseldorf ausgewichen.

 

Nachdem die Geschwister Scholl im Februar 1943 ihren Widerstand mit dem Leben bezahlen mussten, kam uns die Gefährlichkeit unseres Einsatzes erst recht zum Bewußtsein. Wenn ich heute darüber nachdenke, stelle ich fest, dass wir viel riskiert, aber wenig bewegt und erreicht haben.“

 

Diese Darstellung ist wiedergegeben im Aufsatz von Monika Bunte: „Emma Horion und der Katholische Deutsche Frauenbund“. In: Der eigene Blick. Frauen-Geschichte und -Kultur in Düsseldorf. Hrsg. von Ariane Neuhaus-Koch. Neuss 1989, S. 116-117.