Frauen-Kultur-Archiv

Gedenken an engagierte Frauen Düsseldorfs

Die Ehe – eher nicht? Eherecht auf dem Prüfstand


Was macht die Ehe attraktiv?

Für gläubige Menschen stellt die Ehe ein Sakrament dar. Erstaunlich nur, daß im südlichen Raum der Bundesrepublik das Wort "Sakrament" als Fluch benutzt wird, abgekürzt: "Sakra!" Sollte dieser Fluch sich entwickelt haben, weil die Ehe ein Sakrament und im Katholizismus unauflöslich ist?

Neben dem religiösen Aspekt möchten viele verliebte Menschen nach außen dokumentieren, zu wem sie gehören. Sie erhalten den Status "verheiratet". Nebenbei bemerkt, nennt Esther Vilar die Frage nach diesem Status eine pornographische Frage. Sie vermutet, daß sich dahinter Neugier verbirgt, ob diese Personen geregelten Sex mit einem ständigen Partner haben. So ganz von der Hand zu weisen ist dieser Gedanke nicht. Läßt sich deshalb der Staat heute alleine den Ehestand ca. 30 Mrd. jährlich kosten, obwohl 1957 die Steuerklasse III als Anerkennung für die Erziehungsarbeit der Frau eingeführt wurde? Damals verpflichtete das Gesetz die Frauen zur Kindererziehung. Bis 1977 galt, daß eine Frau nur erwerbstätig sein durfte, wenn der Haushalt und die Familie nicht darunter litten. Zu beurteilen hatte das der Mann. Im Laufe der Jahre, bedingt durch "die Pille", haben ein Drittel der Ehen heute keine Kinder, ein Drittel nur ein Kind und ein Drittel zwei und mehr Kinder.

In Hoffnung!"

Der wichtigste Aspekt für eine Ehe scheint mir der Kinderwunsch zu sein. Die zukünftigen Kinder sollen ehelich geboren werden. Gerade dieser Aspekt stellt ein Problem dar. Heute hat beinahe jede Frau einen Beruf erlernt, hat in diesem Beruf bereits gearbeitet und eigenes Geld verdient. Nun kommt das erste Kind. Spätestens dann stellt sich die Frage, wer leistet die Erziehungsarbeit? Es läßt sich nicht wegdiskutieren, überwiegend übernimmt traditionsgemäß die Frau die Kindererziehung auch ohne Gehalt für Familienarbeit. Sie wird Unterhalts- und Taschengeldempfängerin bis ins hohe Rentenalter. Die 60% Hinterbliebenenrente vom Ehemann haben Unterhaltsersatzfunktion. Eine eigenständige soziale und finanzielle Sicherung hat die Ehefrau mit der Entscheidung, ihr eigenes Kind und die noch folgenden Kinder selbst zu betreuen und zu erziehen, nach der heutigen Gesetzeslage aufgegeben. Sie empfängt Unterhalt wie ihre eigenen Kinder. Reicht der Unterhalt des Ehemannes nicht aus, dann greift die Sozialhilfe. Beide Formen bieten keine Altersrente.

Gesetzliches eheliches Güterrecht

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch, BGB, gehört dem Mann sein Erwerbsgehalt ganz alleine. Ich zitiere BGB § 1363, Absatz 2:

"Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt."

So wird die Abhängigkeit der kindererziehenden Ehegatten von ihren erwerbstätigen Ehepartnern zementiert. Das Machtgefüge innerhalb einer Ehe wird vom Gesetzgeber vorgegeben. Der die "Brötchen verdient" bekommt auf sein Nettogehalt aus Steuergeldern über Steuerklasse III die eheliche Subvention als Bestandteil seines Gehalts. Hinzu kommen die steuerlichen Kinderfreibeträge bisher und ab 1.1.1996 das wesentlich erhöhte Kindergeld, wenn es vom Arbeitgeber ausgezahlt wird. Bei vier Kindern hat der Ehemann DM 1050,- monatlich zusätzlich, die sein Nettogehalt erhöhen. Über Rechtsprechung ist geregelt, daß die Ehefrau ein Taschengeld von 5% bis 10% der Nettoeinnahmen ihres Ehemannes beanspruchen kann, also auch vom erhöhten Kindergeld ab 1.1.1996, und daß am Ersten eines jeden Monats ein angemessenes Haushaltsgeld auf dem Tisch zu liegen hat, damit sie im Rahmen ihrer Schlüsselgewalt (ein Thema für sich) einen Monatsplan entwickeln kann. Über sein Einkommen kann sie jedoch nicht verfügen und eine Kontovollmacht steht ihr juristisch nicht zu.

BGB eine Lachnummer?

Nun komme ich zu dem Schlußsatz des Absatzes 2, BGB §1363, der einem die Schuh‘ auszieht. Das muß man langsam auf der Zunge zergehen lassen:

"Der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet."

Bitte, auf der Zunge zergehen lassen: "… wenn die Zugewinngemeinschaft endet." Wir haben oben über den ersten Satz des Absatzes 2 BGB §1363 ausführlich gesprochen. Ich zitiere nochmal:

"Das Vermögen des Mannes und der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten"; in Ordnung, weiter: "dies gilt auch für das Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt".

So, und das nennt nun der Gesetzgeber "Zugewinngemeinschaft!" Mir scheint, daß Juristen, Professoren? (lernen etwa unsere Studentinnen und Studenten diesen Unsinn in der Uni?) ein Wortfindungsaufgabe haben. Das Gesetz macht eine Falschaussage. Während der Ehe liegt de facto eine Gütertrennung vor mit Unterhaltsverpflichtung. Erst bei Scheidung wird geteilt, und zwar das, was nach drei Jahren Streit noch übrigbleibt. BGB §1373 erläutert den Begriff "Zugewinn":

"Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt."

§1374 ff BGB enthalten weitere Vorschriften der Handhabung, aber sie betreffen die Auflösung der Ehe und nicht die eheliche Gemeinschaft.

Scheidung

Das Scheidungsrecht sieht seit 1977 vor, daß, wenn ein Partner es so will, nach drei Jahren geschieden wird. Der Selbstbehalt schütz den verdienenden Mann vor der Sozialhilfe. Die Frau ist mit ihren Kindern auf Unterhalt oder Sozialhilfe angewiesen. Zum Thema Scheidung gibt es eine äußerst unattraktive Variante für eine häuslich erziehende Person. Das Scheidungsrecht kennt eine Anrechnungs- und eine Differenzmethode für die Unterhaltsberechnung. Würde es ein Gehalt für Familienarbeit geben, wäre die häuslich erziehende Frau der erwerbstätigen Frau gleichgestellt und die Differenzmethode käme zur Anwendung. Sie geht so vor, daß die beiden Nettoeinkommen der Eheleute verglichen werden; von der Differenz erhält die Frau eine Quote von 3/7. Heute trifft die häuslich erziehende Frau, die wegen der kleinen Kinder nicht erwerbstätig sein will, die Anrechnungsmethode. D.h., wenn die Frau mit kleinen Kindern nicht genügend Unterhalt vom geschiedenen Mann bekommt und sich mit z.B. Nachtarbeit Geld hinzuverdient, wird dieses Geld mit dem Unterhalt verrechnet. Sie arbeitet bei der Anrechnungsmethode (oder Abzugsmethode) für den Mann, aber nicht, um ihre mißliche finanzielle Situation zu verbessern.

Wenn ich dann noch an Minister Seehofer denke, Stichwort: "Arbeit statt Sozialhilfe", dann kommt noch mehr Unattraktives auf die häuslich Erziehenden zu, weil Blätter im Park harken seiner Meinung nach Arbeit ist, aber Kindererziehung keine Arbeit. Aus dem Grund werden die Alleinerziehenden im Referentenentwurf zur Sozialhilfe nicht ausdrücklich ausgenommen. Strafe droht, d.h. 25% Verlust, wer Arbeit ablehnt! Die Unzumutbarkeitsregelung kann zwar greifen, doch Willkür und Gnade begleitet sie vor Ort.

Die gerechte Lösung!

Gesetze sind Rahmenbedingungen für unsere Lebenssituation. Eine neue Regelung des gesetzlichen Güterstandes muß beiden Ehepartnern vom Zeitpunkt der Eheschließung an gleichberechtigte Verfügungsbefugnis über das während der Ehe erworbene Einkommen und Vermögen der Ehepartner geben.

Das ist die Forderung der deutschen Hausfrauengewerkschaft. Die höchste deutsche Richterin, Prof. Jutta Limbach, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, hielt zum hundertsten Geburtstag des "Deutschen Frauenrates" eine Rede über den Feminismus. Sie stellte die konkrete Frage, Zitat: "Welche der gegenwärtigen Forderungen von Frauen verdient das Prädikat ‚feministisch‘? Die der Hausfrauengewerkschaft, den Familienfrauen die direkte Verfügung über das Familien-, also das Manneseinkommen, einzuräumen? Oder aber der Appell: Den Männern die Hälfte der Familie – den Frauen die Hälfte der Welt?" Sie sagte dann weiterhin, Zitat: "Als am Ende des vorigen Jahrhunderts im Deutschen Reichstag über das die Frauen bevormundende Familienrecht des BGB "mit einer das übliche Maß übersteigenden Heiterkeit" verhandelt wurde, gab es nicht eine weibliche Abgeordnete, die den Ernst des Themas hätte anmahnen können." BGB eine Lachnummer?

Bündnis für Arbeit

Mein Fazit: Ehe lohnt sich für Mann und Frau ohne Kinder. Sie loht sich für Mann und Frau, wenn Personal die Erziehung und Betreuung der Kinder übernimmt, weil Geld da ist. Die Ehe lohnt sich nicht, wenn das Ehepaar die Kinder selbst betreuen und erziehen möchte. Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt es nicht. Die Wirtschaft denkt nicht im Traum daran, den häuslich Erziehenden entgegenzukommen. Sie führt nicht den notwendigen "Fünf-Stunden-Tag für alle" bei gleitender Arbeitszeit ein. Seit 1970 kenne ich diese Forderung. Wir haben ca. vier Mio. Arbeitslose. Wir haben aber auch ca. zwölf Mio. Frauen im erwerbsfähigen Alter, die nicht erwerbstätig sein können, weil sie Kinder erziehen oder Kinder erzogen haben. Diese Frauen müßten auch einen Erwerbsarbeitsplatz bekommen. Wo denn, bitte? "Bündnis für Arbeit" wunderbar, aber der Bereich Familienarbeit muß mit berücksichtigt werden bei den derzeitigen Überlegungen und Neuordnungen!

In: Rundschau der Deutschen Hausfrauengewerkschaft e.V., Ausgabe 1/1996, Januar-März