Laudatio des Düsseldorfer Frauenforums auf Doris Burkhardt zur Verleihung der Ehrenbrosche des Frauenforums
Verfasst und gehalten von Barbara Herz, Frauen-Bücher-Zimmer am 8. März 2001 im WBZ, Bertha von Suttner-Platz, Düsseldorf
Meine Damen und Herren, meine liebe Doris,
ich freue mich, Sie und Euch begrüßen zu dürfen zur Ehrung für Doris Burkhardt, die heute mit der Ehrenbrosche des Frauenforums ausgezeichnet wird.
Wir Frauen vom Frauenforum fanden, dass in unserer Heimatstadt – wie in vielen Städten – das Engagement und die ehrenamtliche Arbeit von Frauen nicht recht gewürdigt wird und starteten deshalb im letzten Jahr die Vergabe dieser Ehrenbrosche, die nun immer zum 8. März, dem Internationalen Frauentag, einer Frau aus dem Frauenforum für ihre hervorragende Arbeit verliehen wird.
Zur Erklärung, falls einige von Ihnen nicht recht wissen, was sich hinter dem Begriff „Frauenforum“ verbirgt: Das Frauenforum ist ein Zusammenschluss von Düsseldorfer Fraueninstitutionen, Frauenvereinen und -verbänden sowie Düsseldorfer Bürgerinnen. Wir tagen immer am 2. Mittwoch im Monat im Rathaus und beschäftigen uns mit frauenpolitischen Themen; wir unterstützen einander so gut wir können und versuchen, der Stadt politischen Dampf zu machen, wenn es um die Sache der Frauen geht.
In diesem „Frauenforum der Stadt Düsseldorf“ hat Doris Burkhardt – von einer kurzen Auszeit abgesehen – sehr engagiert mitgewirkt.
Nun zunächst allgemein wenige Einblicke in das Leben von Doris Burkhardt. Sie wurde 1938 geboren und verlebte Kindheit und Jugend in Herdecke und Hagen. Nach einer Ausbildung zur Kaufmannsgehilfin arbeitete sie einige Jahre als Lohnbuchhalterin. Der Wunsch, im Sozialbereich tätig zu werden, ließ sie nicht los. So schloss Doris 1966 mit Erfolg hier in Düsseldorf im Evangelischen Krankenhaus die Kinderkrankenpflege-Ausbildung ab und war einige Jahre als Kinderkrankenschwester in Krankenhäusern und Kinderheimen tätig.
In Frankfurt am Main arbeitete sie in einem städtischen Kinderheim – für ein Jahr sogar nur halbtags -, um mit 37 Jahren noch bei einer Fachschule für Sozialpädagogik die so genannte Fremdenprüfung zur „Staatlich anerkannten Erzieherin“ gut zu bestehen.
Doris erzählte mit Stolz, dass sie in den 70-er Jahren in Frankfurt an der „Wiege der neuen Frauenbewegung“ gelebt und gewirkt habe und dass diese Zeit der Frauen-Foren sie sehr beeinflusst hätte. Sie wohnte nach ihrer Frankfurter Zeit in Nordbaden für ein Jahr in Mosbach als Untermieterin in dem dortigen Frauenzentrum. Von dort aus nahm sie im Mai 1981 an dem ersten bundesweiten Kongress der „Fraueninitiative 6. Oktober“ in Bonn teil. – Das Markenzeichen von Doris war wohl auch schon damals das einer aktiven Frauen-Kämpferin. Wir „alten Häsinnen“ wissen ja, dass sich gerade auch in kleinen Orten die Frauen auf den Weg machten, um Erstaunliches zu leisten. Der Kampf um die Streichung des § 218 zum Beispiel mobilisierte viele Frauen und animierte sie immer wieder, ihren Forderungen auch auf anderen Gebieten kreativ nachzugehen.
Seit Herbst 1981 lebt Doris wieder in Düsseldorf und arbeitete noch viele Jahre im psycho-sozialen Bereich der Altenpflege (Gruppenarbeit/ Gedächtnis-Training). Heute gibt sie als Rentnerin ehrenamtlich in einer Senioren-Begegnungsstätte einmal wöchentlich einen Kurs „Gedächtnistraining“.
Bei einem Besuch in ihrer kleinen Wohnung mit Balkon in zentraler Lage empfand ich diese wie ein Archiv: Zu jedem Frauen-Thema hat sie die passenden Zeitungsausschnitte, Aufsätze und Bücher gesammelt und geordnet, dazu auch sehr, sehr viele Bilder. Ein beeindruckendes Zuhause einer Frau, die sich ganz den frauenpolitischen Zielen verschrieben hat.
Doris brachte sich mit ihrer Erfahrung und Kreativität dann erfolgreich in die Düsseldorfer Frauenbewegung ein. Das Gedankengut ihrer Frankfurter Zeit und besonders das der „Fraueninitiative 6. Oktober“, Bonn, deren Auffassung vom Feminismus ihrem eigenen Denken entsprach, gab sie als Impulse weiter – und den Bonner Frauen für deren „Ifpa“ (Initiative Frauenpresse-Agentur mit bundesweitem Verteiler) manche Information aus Düsseldorf, z. B: über die Forderung des Frauenforums nach öffentlichen Geldern für obdachlose Mädchen in Düsseldorf oder über das „Aus“ der Frauenmesse in Düsseldorf oder über den bundesweit ersten „Frauen-Armutsbericht“ des Frauenbüros der Stadt Düsseldorf von 1999.
Für September 1982 – vor der ersten großen „Rentenreform 1983/84“ der Bundesregierung – organisierte Doris für die „Fraueninitiative 6. Oktober“ eine bundesweite Arbeitstagung in Düsseldorf – in Zusammenarbeit mit dem „Frauen-Bücher-Zimmer“, das auch seine Räume zur Verfügung stellte. Es wurde die Reform kritisch beleuchtet etwa nach dem Motto „Frauen leben länger – aber wovon?“ unter Frau Eva Rühmkorf, der bundesweit ersten Leiterin einer „Frauen-Gleichstellungsstelle“ in Hamburg. Ich erinnere mich gut, wie viele Abende wir uns ernsthaft, verärgert und enttäuscht mit diesem Thema beschäftigten.
Doris wurde bereits im Frühjahr 1982 für viele Jahre ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der ersten Düsseldorfer Frauenzeitschrift „Kom’ma“ auf der Luisenstraße 7, und schrieb zunächst Terminankündigungen, später auch noch verschiedene Artikel.
Außerdem nahm Doris seit 1984 über vier Jahre an dem Volkshochschul-Kurs „Frauen in die Kommunalpolitik“, bei der Kom’ma angesiedelt, teil, den sie schließlich auch selbst leitete.
Bei ihrer Mitarbeit im „Frauenforum“ – bereits vor den monatlichen Sitzungen im Rathaus – brachte sie manche Ideen und Pläne ein. Mit Recht stolz ist sie auf ihr „Kind“ – die Forderung an die Stadt Düsseldorf nach einer „Ehrenamtsstudie über Frauen in Düsseldorf“. Diese Idee brachte Doris November 1987 im Frauenforum ein und sie wurde über viele Monate diskutiert – leider ohne das politische Ziel im Sinne des Frauenforums zu erreichen. Das Frauenforum war seiner Zeit oft voraus, denken wir doch, dass erst jetzt – 2001 – das „Jahr des Ehrenamtes“ ist!
Als 1997 die Stadt Düsseldorf ein Jahr lang für UNICEF für die Straßenkinder der Welt Spenden sammelte, initiierte und organisierte Doris im Frauenforum eine Diskussion und eine Resolution (November 1997) mit der Forderung an die Stadt Düsseldorf, öffentliche Gelder für die Mädchen-Obdachlosen-Arbeit regelmäßig einzusetzen – mit Erfolg, zum Beispiel für das „Trebecafé“ und den „Knackpunkt“ (für Mädchen).
Mit großem Engagement setzte Doris sich auch für die „Lokale Agenda“ ein, bei der sie im Arbeitskreis „Arbeit und Soziales“ mitwirkte (1998/1999) und darüber im Frauenforum berichtete. Die Vorstellung der Frauen für eine „Notwohnung für Opfer von Frauenhandel“ wurde im Rat der Stadt allerdings so stark verändert, dass sie später als Frauenprojekt nicht mehr erkennbar war.
In der Zeit der verstärkten Friedensbewegung (z. B. die Frauen-Friedenskette in Düsseldorf am 17.10.1983) wollten Düsseldorfer Frauen einen zentralen Platz nach einer Frau benennen. Wir stießen bei der Stadtverwaltung nicht auf großes Entgegenkommen, galt es doch – wie immer – unter einer großen Anzahl von Männern auszuwählen. Der Wunsch der Frauen, den Platz vor dem Carsch-Haus „Bertha-von-Suttner-Platz“ zu nennen, schlug fehl.
Aber Doris gab nicht auf und brachte im August 1984 den Punkt dieser Platzbenennung in Verbindung mit dem neuen Platz Hauptbahnhof-Ost als Vorschlag im Frauenforum ein – mit bereits vorbereiteten Briefen an die Stadt und organisierten Unterschriften-Listen. Dieser wurde von den anwesenden Frauen mehrheitlich akzeptiert und war somit auch Sache des Frauenforums. Damals tagte das Frauenforum u. a. in den Räumen der Kom’ma, Luisenstraße 7.
Zum Thema Platzbenennung Hauptbahnhof-Ost wandte sich Doris auch mehrmals mit Erfolg an die Presse – mit unterschiedlichen Informationen und Argumenten, zum Beispiel mit „Mehr Straßen und Plätze nach Frauen benennen“. Diese Hartnäckigkeit bewirkte, dass mit Hilfe von Frauen im Rat der Stadt das Ziel endlich erreicht und der neue Platz hinter dem Hauptbahnhof nach Bertha von Suttner benannt wurde. Ein lebendiger Platz, über den wir heute alle gegangen sind, um den „Internationalen Frauentag“ zu feiern.
Doris kam bei ihrer Arbeit fast immer ihre Fähigkeit zugute, Gedanken, die in der Luft lagen, auszusprechen. Immer wieder lieferte sie Artikel und Redebeiträge zu den anstehenden Themen, Und es ist sicher eine Kunst, im rechten Augenblick loslassen zu können, um auch fachkompetente Frauen zu finden, die ihre Gedanken in die Tat umsetzen.
Es ist nicht ihre Sache, in vorderster Reihe zu stehen. So ist es bezeichnend, dass sie seit Oktober 1996 als „Stellvertretende des Frauenforums“ im Frauen-Ausschluss der Stadt mitarbeitete, wobei sie häufig für die eine oder andere „Vertreterin des FF“ einsprang. Schließlich wurde sie dann seit 1998 selbst „Vertreterin für das FF“. – Aber nach einem Jahr legte sie 1999 frustriert die ehrenamtliche Arbeit im Frauen-Ausschluss nieder und ist dort jetzt als kritische Besucherin anzutreffen.
Doris hat die Eigenschaft, ausdauernd und mit langem Atem ein Thema zu bearbeiten.
Und so danken wird Dir, Doris, dass durch Deine Hartnäckigkeit mancher Brief geschrieben wurde, manches nicht im Sande verlief, weil Du wieder mit einem Artikel kamst, über den Du verärgert warst oder den Du zur Nachahmung in Düsseldorf empfehlen wolltest. Den Dank aller Frauen des Frauenforums darf ich Dir jetzt materialisiert in dieser Brosche, die auch als Anhänger getragen werden kann, überreichen. Ich gratuliere Dir von ganzem Herzen. [Es gilt das gesprochen Wort.]
Dankesrede von Doris Burkhardt nach der Ehrung durch das Düsseldorfer Frauenforum am 8. März 2001 im WBZ
Liebe Barbara Herz, vielen Dank für deine Worte und insgesamt den Frauen des Frauenforums Dank für die Anerkennung meiner Mitarbeit!
Ich bin stolz, diese Ehrenbrosche zu erhalten – und das als Rentnerin, im Jahr des Ehrenamtes, im ersten Jahr des neuen Jahrhunderts und im 20. Jahr als Bürgerin dieser Stadt.
Düsseldorf ist mir in den vergangenen Jahren zur Heimat geworden – besonders durch meine nebenberufliche, mir sehr wichtige frauenpolitische Arbeit im außerparlamentarischen Bereich, unabhängig von politischen Partei-Programmen.
Im Alleingang wäre manches kaum möglich gewesen. Die enge Zusammenarbeit mit den autonomen Fraueninitiativen und mit dem Frauenforum und mit dem Frauenforum verliehen den Vorhaben mehr Nachdruck und zeigten: „Frauen gemeinsam sind stark!“.
Für solidarisches Miteinander und gegenseitige Ergänzungen danke ich ausdrücklich den früheren und heutigen Mitstreiterinnen des Frauenforums.
Dieser Dank gilt auch dem Team des Düsseldorfer Frauenbüros und allen frauenfreundlich gesonnenen Personen im Düsseldorfer Rathaus und in der Volkshochschule!
Ich möchte sie alle hier ermuntern, Räume für Frauen und Mädchen zu fordern, zu schaffen und auszubauen – auf allen Ebenen im privaten und öffentlichen Bereich!
In diesem Sinne sei mir erlaubt, drei Beispiele zu nennen:
- Schaffung eines sofortigen eigenen Aufenthaltsrechtes für verheiratete Migrantinnen
- Bereitstellung ausreichender und angemessener konstanter Schutzräume mit Therapieangebot für Opfer von Frauenhandel – gegebenenfalls wie beim VRR als Verbundsystem von Städten in der Region!
- Schaffung eines Rechtsraumes mit gleichem Strafmaß bei gleicher Straftat bei sexueller Nötigung oder bei Vergewaltigung von Frauen mit und ohne Behinderungen. – Dazu werden auf dieser Veranstaltung Unterschriften gesammelt!
Erinnern muss ich Sie an das Jahr 1999 – und an die seit dem 8. März im Rathaus vorliegenden „Wahlprüfsteine“ mit Forderungen des Frauenforums und außerdem an die Handlungs-Empfehlungen im Frauenarmutsbericht des Düsseldorfer Frauenbüros!
Abschließend erinnere ich Sie gern an Schlagworte, die auch mich begleitet habe:
„Das Politische ist privat – das Private ist politisch“
„50% aller Plätze für Frauen!“
„Einmischen – Mitmischen! Frauen ins Düsseldorfer Rathaus!“
„Männern ihre Rechte und nicht mehr – Frauen ihre Rechte und nicht weniger!“
Erlauben Sie mir, noch etwas anzumerken zum Thema „Ehrenamt“: Es ist bekannt, dass die Frauen des Frauenforums ehrenamtlich, außerdem ohne Fahrgeld-Erstattung und ohne Erhalt von Sitzungsgeldern in Eigen-Regie abends tagen, um Müttern und Erwerbstätigen die Teilnahme zu ermöglichen.
Zwei delegierte Frauen des Frauenforums stellen sich außerdem zur aktiven Teilnahme an den Frauen-Ausschuss-Sitzungen zur Verfügung! Für diese delegierten Frauen sollte im „Jahr des Ehrenamtes“ endlich eine „Frauenförderung im politischen Ehrenamt“ verwirklicht werden, das heißt: Dienstbefreiung am Arbeitsplatz und Erhalt von Sitzungsgeldern für Verdienstausfall und Erstattung von Fahrgeld-Auslagen! — Danke!
Was bedeutet mir hier und heute Lebensqualität?
(Januar 2002, Text von Doris Burkhardt)
- Ein bezahlbares warmes Dach über dem Kopf in einer relativ notwendigen Größe („Ein Zimmer für mich allein“) mit relativem Komfort wie Bad, Küche, Zentralheizung, TV-Technik (mit Kabel), Telefon, Balkon, Aufzug – ohne Treppenhaus-Putzerei-Verpflichtung, pflegeleichte Wohnung, übliche Haushaltsgeräte.
- Verkehrsgünstige Lage, gut erreichbare und bezahlbare Geschäfts- und Kultur-Angebote.
- Saubere Luft, sauberes Wasser, saubere Nahrungsmittel, saubere Textilien, Nah-Erholungsmöglichkeit.
- Soziale Gerechtigkeit, Sicherheit im engeren und weiteren Umfeld ohne „Überwachungs- und Polizeistaat“, bezahlbare gute medizinische Versorgung.
- Verschiedene, bezahlbare oder freie Möglichkeiten der persönlichen Kommunikation im Wohnumfeld.
- Selbstbestimmtes Leben, ohne besondere Einengungen, mit Hilfsangeboten, die bezahlbar sind.
- Nach der Erwerbstätigkeit noch zu bewältigende Aufgaben über den Privatbereich hinaus haben/ausüben.
- Eigene Fähigkeiten erhalten oder entwickeln zu: Hobbys praktizieren, Wünsche haben und realisieren, teilen und abgeben, kritisch sein – aber nicht misstrauisch und verbittert werden, sich „nach der Decke strecken“ in gesundheitlicher, sozialer und finanzieller Hinsicht, neugierig bleiben, das Licht sehen, Schatten gegebenenfalls annehmen.
(Handschriftliches Notat aus dem Nachlass von Doris Burkhardt, zunächst aufbewahrt im Frauen-Kultur-Archiv, jetzt im Stadtarchiv Düsseldorf)
Rede zum Internationalen Frauentag am 8. März 1988 auf dem Schadowplatz in Düsseldorf
als Beitrag der autonomen Frauenbewegung zu einer Frauen-DGB-Veranstaltung
Ich bin Doris Burkhardt, ich arbeite in der autonomen Frauenbewegung, unter anderem bei KOM’MA, der Düsseldorfer Frauenzeitung mit Veranstaltungskalender, in dem VHS-Kurs ‚Frauen in der Kommunalpolitik‘.
Solidarisch mit der Arbeit der DGB-Frauen spreche ich heute für Frauen der autonomen Frauenbewegung in Düsseldorf.
HERAUS ZUM FRIEDEN – GEGEN DIE UNSOZIALEN SPARMASSNAHMEN! – – Unter einer ähnlichen Losung fanden die ersten Demonstrationen zum Internationalen Frauentag vor dem 1. Weltkrieg in Deutschland statt.
HERAUS ZUM FRIEDEN – GEGEN DIE UNSOZIALEN SPARMASSNAHMEN! – – Unter diesem Motto erschien im März 1982 in einer Düsseldorfer Tageszeitung eine Anzeige. Frauen aus unterschiedlichen Bereichen, Gruppen und Initiativen der Düsseldorfer Frauenbewegung riefen darin zur Demonstration auf.
- Wir gingen immer wieder zum 8. März auf die Straßen. Die alten Forderungen und Kämpfe sind so aktuell wie eh und je. Ich will sie hier knapp zusammengerafft nennen.
- Frauen fordern Frieden ohne Waffen. Wir wehren uns gegen Krieg und Militarisierung, gegen die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr, gegen die Dienst-Verpflichtung von Frauen auch im zivilen Bereich, – gegen die Herstellung, Lagerung und den Export aller Waffen! Wir wehren uns gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus!
- Wir fordern das Recht auf Erwerbsarbeit für alle mit Lohngleichheit – bei schrittweiser Einführung des 6-Stunden-Tages und Arbeitszeit-Verkürzung bei vollem Lohnausgleich, – eine eigenständige, existenzsichernde Rente mit Anerkennung von Erziehungszeiten, dazu ausreichende Versorgung mit Kindertages-Stätten und Ganztagsschulen!
- Wir fordern Recht auf Selbstbestimmung – wir wehren uns gegen Diskriminierung und Berufsverbot von Lesben, gegen die Herabsetzung der Frau als Sexualobjekt, gegen frauenfeindliche Werbung und Berichterstattung in Schrift, Bild und Ton!
- Wir erheben auch 1988 diese Forderungen! – Die Verwirklichung steht noch aus! Der so genannte Fortschritt in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft ist nicht immer im Sinne von Frauen. Hier einige Beispiele:
- Die Gen- und Reproduktionstechniken schaffen neue Probleme im sozialen, ökologischen und ethischen Bereich und eröffnen neue Möglichkeiten der Ausbeutung von Frauen. Bei den Techniken – Zeugung im Reagenzglas/ Embryonen-Verpflanzung – wird die Frau sozusagen zu einem „Gegenstand mit verwertbarem Material“ degradiert, es besteht die Gefahr der Selektion und die Gefahr der Manipulation an überzähligen Eizellen oder Embryonen.
Es wird die fragwürdige Idee der „Pflicht der Frau zur biologischen Mutterschaft“ gefördert und die Würde der Frau herabgesetzt.
Unsere Selbstbestimmung verkehrt sich in eine Abhängigkeit von der Kontrolle verschiedener Experten. – Wir wehren uns gegen Frauen verachtende Techniken!! – – – und gegen Einschränkungen der Meinungsfreiheit!- – – Hier muss ich zum Beispiel an das Essener Gen-Archiv und andere Gruppen erinnern, die im Augenblick besonderen Repressionen ausgesetzt sind, weil sie sich kritisch mit den Gen- und Reproduktionstechniken auseinander setzen. Besonders sei erinnert an die kritischen feministisch arbeitenden Ingrid Strobl und Ursula Penselin, deren Haftentlassung wir fordern! -
Die Koalitions-Absprachen über die neuen Strafgesetz-Entwürfe zur Problematik „Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung in der Ehe/Konstruktion der so genannten ‚minderschweren‘ Fälle“ – – – können eine angestrebte Verbesserung für Frauen ins Gegenteil verkehren! So wird zum Beispiel bei Vergewaltigung eine Herabsetzung der Mindeststrafe von zwei Jahren auf ein Jahr angestrebt. – Hier muss ich die bundesweite Forderung von Frauen nach Antidiskriminierungs-Gesetzen wiederholen! In Bonn liegen bereits seit 1978 dazu Gesetzesvorschläge vor. Also seit 10 Jahren!! In den USA gibt es z. B. seit 1964 Anti-Diskriminierungs-Gesetze. – – –
Die Themen „Rechts-Stellung der Frau bei Vergewaltigung“, „Frauen-Nacht-Taxi in Düsseldorf“ und anderes mehr werden in der „Frauen-Woche“ vom 19. bis 26. März in der „Werkstatt“, Börnestraße, behandelt. Ich verweise hier außerdem auf die schreckliche Situation der Frauen auf dem Universitätsgelände und dessen ungenügende Verkehrsanbindung in dieser Stadt!
- Eine weitere Einschränkung des Selbstbestimmungs-Rechts der Frauen bedeutet das geplante Beratungsgesetz zur Schwangerschaftskonflikt-Beratung. Jahrzehntelang kämpfen Frauen für die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch. Anstatt dieser Forderung nachzukommen, soll der § 218 durch das Hintertürchen noch verschärft werden! – – – Das neue Beratungsgesetz – – – oder ehrlicher gesagt – Bevormundungsgesetz – wird knallharte Richtlinien enthalten, hier nur die schlimmsten: Frauen sollen zum Fortsetzen der Schwangerschaft sozusagen überredet werden – – – und Partner, Eltern, Arbeitgeber sollen in die „Beratung“ mit einbezogen werden.
Die Beraterinnen/Berater und Ärztinnen/Ärzte in den Beratungsstellen sollen zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen zum Thema „Schutz des ungeborenen Lebens“ verpflichtet werden. Insgesamt soll die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs verzögert und erschwert werden, das heißt, Frauen sind in Ihrer Not weiteren Repressionen ausgesetzt. Das geplante Beratungsgesetz wird nicht die Anzahl der Abbrüche verringern, sondern Frauen in die Illegalität zurückstoßen! (siehe auch Hollandfahrten, – und was machen Frauen ohne Geld?) Deshalb fordern wir: Beratungsangebote auf freiwilliger Basis, die Finanzierung von Beratungsstellen wie „Pro Familia“ und Frauen-Gesundheits-Zentren, die ersatzlose Streichung des § 218 aus dem Straf-Gesetz-Buch und die sofortige Zurücknahme des geplanten Beratungs-Gesetzes! – – – Frauen wehren sich gegen Zwangsmutterschaft! – –Weitere Informationen mit Unterschriftenlisten und solchen Handzetteln finden Sie oder findet Ihr an dem Informationsstand! – – - Die Zahl der erwerbslosen Frauen steigt weiter! – trotz zunehmender Qualifizierung! – und für die Einrichtung gesellschaftlich notwendiger Arbeitsplätze fehlt angeblich das Geld! – – – Die in Statistiken nachgewiesene materielle Armut vieler Frauen im erwerbsfähigen Alter und in der Rentenphase wird offensichtlich vorprogrammiert.
- Ein besonders deutliches Beispiel von Repression von Frauen in Düsseldorf ist die Situation der Alleinerziehenden. Häufig besteht Wohnungsnot!- und Frauen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen, fehlt die bedingungslose Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes. Die Bereitstellung in den Einrichtungen hängt u. a. von dem Nachweis ab, daß sie als so genannte „Arbeitssuchende“ beim Arbeitsamt gemeldet ist, – andererseits unterliegt diese Frau beim Arbeitsamt selbst dem Nachweiszwang, dass sie eine Kinderbetreuungsstelle hat, bevor sie überhaupt als „Arbeitssuchende“ dort registriert wird.- – – Es ist eine Zwickmühle, die von der Stadt gelöst werden muss!
- Wir fordern an dieser Stelle mit Nachdruck Erhalt und Schaffung neuer Arbeitsplätze – – – auch in den bereits bestehenden Düsseldorfer Frauenzentren! – und ein konsequentes Einsetzen von Frauenförderplänen auf allen Ebenen und in allen Bereichen – mit entsprechenden Kontroll-Instanzen nach der Kurzformel: „50 aller Plätze für Frauen!“!
Insgesamt werden Rat und Verwaltung der Stadt Düsseldorf mit ihrer Vorreiter-Funktion besonders angesprochen. – – Die finanzielle Sicherstellung von Personal – und Sachkosten für ArbeitslosensSelbsthilfegruppen muss als Pflichtaufgabe ein Bestandteil des Sozialetats sein! - Der Versuch, Feindbilder abzubauen, ist ein erster Schritt zum Frieden: – Wir wollen eine abgerüstete Welt, in der die bisher für Waffen verschleuderten Gelder sinnvoll genutzt werden – zum Beispiel für den Umweltschutz und im sozialen Bereich. Damit wäre ein größeres Maß an Sicherheit erreicht als mit der Hochrüstungspolitik!
- In diesem Sinne möchte ich mit Ihnen, beziehungsweise mit Euch Frauen hier – auch im Hinblick auf die Haushaltspolitik dieser Stadt! – zum Internationalen Frauentag 1988 ausrufen: HERAUS ZUM FRIEDEN – GEGEN DIE UNSOZIALEN SPARMASSNAHMEN!!
- Daß ich als so genannte „Nichtorganisierte“ auf dieser DGB-Frauen-Veranstaltung spreche, soll ein Anfang sein, den eigentlich bestehenden Konsens zwischen den verschiedenen Frauengruppen deutlicher zu machen. Ich hoffe und wünsche darüber hinaus, daß im nächsten Jahr zu partnerschaftlichen Bedingungen eine gemeinsame Veranstaltung von organisierten und autonomen Frauengruppen zum 8. März möglich wird!
- Gesprochen habe ich für: Beratungsstelle Frauen in Not, Kölner Str.; Demokratische Fraueninitiative (DFI); Frauen-Archiv; Frauen-Bücher-Zimmer (FBZ) in der Becherstraße (am Münsterplatz); Frauencafé Hexenkessel; Frauencafé Benrath Frauen-Initiative 6. Oktober; Frauenkommunikation e.V.; Frauenringvorlesung; Initiative Düsseldorfer Frauen gegen das geplante Beratungsgesetz – für die Streichung des § 218 StGB; Initiative Frauen ins Düsseldorfer Rathaus; Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF seit 1915)/ Deutsche Sektion; KOM!MA; Lila Steinfresserinnen; Mütter für den Frieden; Terre des Femmes/ Düsseldorfer Arbeitsgruppe.Düsseldorf, 8. März 1988V.i.S.d.P Doris Burkhardt, c/o. Frauenkommunikation e.V., Luisenstr. 7, 4000 Düsseldorf 1
(Quelle:Typoskript, 4 Seiten, aus dem Nachlass der Verfasserin, zunächst aufbewahrt im Frauen-Kultur-Archiv, jetzt im Stadtarchiv Düsseldorf)