Frauen-Kultur-Archiv

Gedenken an engagierte Frauen Düsseldorfs

Gibt es im Jahr 2000 eine neue Chance?


Eigenständige soziale Alterssicherung für Frauen

Die Rentenreform 1984 wurde im Parlament in skandalöser Weise entschieden. Trotz langer Vorbereitung, knapp 10 Jahre Vorlauf, fiel die Entscheidung überwiegend zu Lasten von Frauen aus.

Verfassungsbeschwerden

Die Ordnungsprinzipien des Rentenrechts sind "Beitragsgerechtigkeit" und "sozialer Ausgleich". Die Versichertenrenten, die auf Beiträgen beruhen, haben Lohnersatzfunktion.

Die Hinterbliebenenrenten, die aus Gründen des sozialen Ausgleichs bewilligt wurden, haben Unterhaltsersatzfunktion. Anlass für die Rentenreform 1984 waren verschiedene Verfassungsbeschwerden von Witwen und Witwern. Frauen wie auch Männer fühlten sich bei einzelnen Regelungen im Rentenrecht benachteiligt. Dabei beriefen sich alle auf das Verfassungsgebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau.

Eine Witwe klagte, weil ihr nach dem Tod ihres Mannes, obwohl sie keine eigenen Rentenansprüche hatte, nur 60% seiner Rente zugebilligt wurde. Im Gegensatz dazu wurde einem Witwer nach dem Tod der Ehefrau seine eigene Rente zu 100% weitergewährt. Ein Witwer klagte, weil ihm normalerweise zusätzlich zu seiner eigenen Rente kein Anspruch auf einen Teil der Rente seiner erwerbstätig gewesenen Ehefrau nach ihrem Tod zustand, es sei denn, er wurde von seiner Ehefrau überwiegend unterhalten.

Aufgrund dieser Beschwerden hatte das Bundesverfassungsgericht im März 1975 der Bundesregierung aufgegeben, bis Ende 1984 die Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Hinterbliebenenversorgung zu verwirklichen.

Die Arbeit der Kommission

Um Vorschläge für die Neuordnung der sozialen Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen zu erarbeiten, wurde auf Beschluss der damaligen Bundesregierung eine Sachverständigenkommission vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Oktober 1977 berufen, die aus 17 Mitgliedern bestand, darunter sieben Frauen. Der Abbau von sozialen Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen stand im Auftrag. Die Kommission gab ihr Gutachten im Mai 1979 ab. Sie diskutierte vier Modelle der Neuordnung. Schließlich konzentrierte sie sich auf das "Teilhabemodell 2 Variante 1".

"Teilhabemodell 2 Variante 1"

Es sieht so aus: Solange beide Ehegatten leben, behalten sie ihre durch Beiträge erworbene eigene Rente. Wenn einer von beiden stirbt, wird die Rente des Witwers oder der Witwe neu berechnet. Grundlage dafür sind zunächst die eigenen, außerhalb der Ehe erworbenen Rentenansprüche, die unverändert für die betroffene Person erhalten bleiben. Analog zum neuen Eherecht seit 1977 (Versorgungsausgleich) sollen dann die Rentenansprüche, die beide Partner während der Ehe erworben haben, zu einer "Gesamtversorgung" zusammengezählt werden. In diese sollen auch Ansprüche eingehen, die sich ein Partner durch die Erziehung der Kinder erwirbt. Erziehungszeiten bedeuten Rente dann aus eigenem Recht, wie der Versorgungsausgleich. Die Anrechnung von Erziehungszeiten sollte sich damals bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes erstrecken, obwohl die Forderung bis zum vollendeten 6. Lebensjahr des Kindes bereits im Gespräch war. Diese Erziehungszeit sollte einheitlich mit einem Prozentsatz des Durchschnittsentgelts aller Versicherten von 100% bewertet werden. Aus dieser so errechneten Gesamtversorgung sollten die hinterbliebenen Ehegatten 75 (alternativ 70) Prozent der Rentenansprüche erhalten, die zu den eigenen außerhalb der Ehe erworbenen hinzugezählt werden.

Diese Regelung entspricht dem Gleichheitsgrundsatz, und durch die Anrechnung von Erziehungszeiten sollte der spezifische Beitrag aller Eltern zu Generationenvertrag endlich honoriert werden. Ansprüche werden danach nur gerechter verteilt. Abstriche gibt es dort, wo die Ansprüche ohne entsprechende Eigenleistung unangemessen günstig sind, vor allem bei sogenannten Versorgungsehen, den wirtschaftlich gut gestellten kinderlosen Einverdienerehen. Die Kommission war sich einig.

Männermodell "Garantierente"

Und nun meldeten sich drei Mitglieder der Kommission Ende Februar 1979, also nur knapp drei Monate vor Abgabe des Gutachtens, nachdem es nach eingehender Diskussion seit Oktober 1977 bis Februar 1979 zu einer Einigung gekommen war und präsentierten einen neuen Vorschlag, der die Frauen in der Kommission sehr erbitterte. Der Vorschlag der drei Männer stützte sich auf die Eigentumsgarantie von Artikel 14 Grundgesetz und sie forderten die "Garantierente".

Dieser Vorschlag sah so aus: Für die Versorgung des überlebenden Ehepartners sollen die gesamten Rentenanwartschaften beider Eheleute zusammengelegt werden, nicht nur die während der Ehe erworbenen. Die Hinterbliebenenrente soll 70 (65)% dieser gesamten Rentenanwartschaften betragen, mindestens aber soll die Rente aus den eigenen Anwartschaften garantiert werden. Kindererziehungszeiten waren nicht mehr Thema.

Die Kommission verzichtete auf eine Kampfabstimmung und überließ die Entscheidung der Politik. Seitdem, wenn vom Teilhabemodell geredet wird, meinen die Politiker und Politikerinnen das Männermodell "Garantierente", das eigentlich ja gar keine Teilhabe ist, sondern nur eine Hinterbliebenenrente unter Anrechnung eigener Ansprüche.

Kosten

Die damalige Kostenschätzung für das Männermodell, Teilhabemodell "Garantierente – 70% der Gesamtversorgung insgesamt und "Garantie" der selbsterworbenen Ansprüche – ergaben auf Dauer Mehraufwendungen zwischen rund einer bis drei Milliarden DM jährlich.

Das ursprüngliche Modell, "Teilhaberente Modell 2 Variante 1" – 75% der Gesamtversorgung aus der Ehezeit zuzüglich vollem Rentenanspruch aus Zeiten außerhalb der Ehe hätte vier bis sechs Milliarden Minderausgaben ergeben und damit Finanzierungsspielraum für die Anrechnung von Erziehungszeiten für alle Mütter, auch für die heute bereits Rente beziehenden Mütter.

Das ursprüngliche Modell sah eine Übergangsregelung von 25 Jahren vor. Heute hätten wir davon schon 14 Jahre überwunden.

Wie hatte das Parlament beschlossen?

Das Gutachten der Sachverständigen interessierte die Politiker und Politikerinnen nicht, sie fanden eine eigene Entscheidung, die zu Lasten der erwerbstätigen Frauen ging und zu Gunsten der erwerbstätigen Männer. Ein 80jähriger Mann kann seine Rentenansprüche einer 24jährigen Frau übertragen nach dem Motto: "Wie soll sonst noch ein alter Mann eine Frau bekommen?"

Die Anerkennung der Erziehungsleistung mit einem Jahr trug zur Bewusstseinsbildung bei, dass Familienarbeit auch Arbeit ist, wirkt sich aber finanziell als Rente lächerlich gering aus.

Geltendes Recht

Seit 1986 sieht das geltende Recht so aus, dass es eine Hinterbliebenenrente mit Freibetrag für Mann und Frau gibt. Dieser Freibetrag ist dynamisch. 1986 begann der Freibetrag mit DM 900, heute liegt er bei DM 1.274.

Ein Jahr Erziehungszeit gibt es seit 1986. Für Geburten ab 1992 gibt es Ansprüche auf drei Jahre Erziehungszeit je Kind, die aber erst etwa ab 2025 in Form von Rente wirksam werden.

Skandal

Die Politiker und Politikerinnen haben sich der Witwer angenommen. Diese bekommen seit 1986 weiter ihre eigenen Renten zu 100% und 60% der Rente ihrer verstorbenen Frauen dazu. Übersteigt ihre eigene Rente den jeweils gültigen Freibetrag, wird der übersteigende Betrag mit 40% ausgerechnet und von der Witwerrente abgezogen.

Das heißt also, die Verfassungsbeschwerde der Witwer hat sich gelohnt. Für sie wurde eine Verbesserung vorgenommen, obwohl sie überwiegend eine lückenlose Erwerbsrentenbiografie vorzuweisen haben. Männer machen auch heute noch keine durch Kindererziehung bedingte Erwerbsarbeits"pause" und auch keine Teilzeiterwerbsarbeit.

Die Politikerinnen und Politiker haben für die Witwen, die bis 1986 ihre eigene Rente aus eigener Erwerbstätigkeit erhielten und 60% der Rente ihres verstorbenen Mannes dazu, eine Verschlechterung vorgenommen, indem sie die 40%-Anrechnung auch für die Witwen eingeführt haben. Das heißt, diese Rentenreform ging zu Lasten der erwerbstätigen Frauen und der Frauen, die Kinder erziehen, zumal die durchschnittliche Höhe der Altersrente für Frauen, unter anderem bedingt durch die Kindererziehung, etwa die Hälfte der Rente der Männer ausmacht.

1986 wurde lediglich eine Rente für Kindererziehung eingeführt, die erst ab 1.7.2000 auf der Basis von 100% des Durchschnittseinkommens aller Rentenversicherten liegen wird. Ab 1.7.1999 beläuft sich der Wert der Rente für Kindererziehung für ein Kind auf DM 43,44 im Westen und DM 37,79 im Osten.

Die neue Chance im Jahr 2000

Die Teilhaberente "Modell 2 Variante 1", also das ursprüngliche Modell der damaligen Rentenkommission, auf das sich die Mehrheit der Kommission geeinigt hatte, ist die Chance 2000. Die heutige Regierungskoalition hat die Macht, dieses Modell Gesetz werden zu lassen. Aus heutiger Sicht ist klar, dass sechs Jahre Anerkennung von Erziehungsarbeit mit eingebaut werden müssen. Diese sechs Jahre sind dann für alle Mütter, auch für diejenigen, die heute bereits in Rente sind, finanzierbar.

Die neue Chance im Jahr 2000 ist auch ein Gehalt für Familienarbeit, wie es die dhg fordert, in Höhe des Durchschnittsverdienstes aller Rentenversicherten schon ab dem ersten Kind, aber mindestens, bis das jüngste Kind sechs Jahre alt ist. Die Familienarbeit darf delegiert, das Gehalt also weitergegeben werden. Mit diesem sozialversicherungspflichtigen Gehalt für Familienarbeit entsteht eine Rente für Kindererziehung, die den Versichertenrenten entspricht, die auf Beiträgen beruhen und Lohnersatzfunktion darstellen.

Das Gehalt für Familienarbeit beseitigt mehrere Ungerechtigkeiten. Es ermöglicht die eigenständige finanzielle und soziale Sicherung bei Familienarbeit und trägt unter anderem zur Steuergerechtigkeit bei.

Es muss darüber nachgedacht werden, wie Personen, die keine Kinder großziehen, an der Finanzierung beteiligt werden können.

In: Rundschau des Verbands der Familienfrauen und -männer e.V., Ausgabe 2/2000). Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag bei der Jahresmitgliederversammlung der dhg von NRW am 18.03.2000.