Sie war ein Mensch, der in einem Raum wie auf einer Bühne auftrat. Voller Elan und gestenreich schilderte sie ihre Ideen, die es dann demnächst auf der Bühne zu sehen gab. Es schien, als habe sich immer schon eine Schar treuer Fans im Alter von sechs bis sechszehn Jahren um Barbara Oertel-Burduli mit ihren wachen Augen und der roten Lockenpracht versammelt. Welches Theater schafft es sonst, dass die Vorstellungen zu 90 Prozent ausverkauft sind? Das Düsseldorfer Kinder- und Jugendtheater ragt wie ein Leuchttum über viel pädagogisch Gutgemeintes hinaus und sendet sein Licht. Doch die Frau, die die Laterne angezündet hat, ist jetzt im Alter von nur 57 Jahren gestorben.
Den direkten, spontanen Kontakt mit Kindern hat sie immer schon gesucht – sie empfand ihn als Jungbrunnen. Barbara Oertel-Burduli nahm ihre Theaterbesucher mit auf phantastische Reisen und ließ sie mitmachen. Sie verstand sich selbst als Mutmacherin, Angstvertreiberin und Sehnsuchtmacherin, die ihr Theater der Bilder, Klänge, Gerüche und Farben bewusst gegen eine verkopfte High-Tech-Welt einsetzt. Dabei sollen keine Rezepte, sondern Impulse gegeben werden, die junge Menschen dazu ermutigen, Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen.
Barbara Oertel-Burduli wurde in Leipzig geboren, kam als 16-Jährige mit ihren Eltern aus der DDR in die Bundesrepublik und wollte Schauspielerin werden. Nach ersten Auftritten in Wiesbaden entschied sie sich, Psychologie, Philosophie, Germanistik, Theaterwissenschaft und Zeitungswissenschaft in München und Wien zu studieren. In ihrer Doktorarbeit entwickelte Oertel-Burduli eine Theaterstückanalyse nach theaterwissenschaftlichen Methoden und schlug dann die Dramaturgen-Laufbahn ein. Sie arbeitete beim Berliner Hansa-Theater, bevor sie Anfang der 70er Jahre mit dem festen Vorsatz, ein Kindertheater aufzubauen, nach Saarbrücken ging. Richtig umgesetzt hat sie diesen Plan sechs Jahre später in Düsseldorf.
Zunächst zog die couragierte Frau mit ihrer Truppe von Provisorium zu Provisorium bis sie eine ehemalige Maschinenhalle im Stadtteil Rath angeboten bekam. Im September 1993 eröffnete Barbara Oertel-Burduli dort nach jahrelangem Umbau ihre eigene feste Spielstätte, für die sie – unterstützt von ihrem Mann Alex, aus Georgien stammend, wie eine Löwin gekämpft hatte.
Musik, Tanz und Gesang haben einen festen Platz in ihren Mitspielstücken, den neuen Märchen nach alten Vorlagen und den Inszenierungen, die sich mit Intoleranz, Gewalt und Ausländerfeindlichkeit auseinandersetzen. Das Musical "West Side Story" gehört zu den Höhepunkten unter den vielen Inszenierungen; die Theaterleiterin selbst erinnerte sich am liebsten an "Hänsel und Gretel" in Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper am Rhein.
"Ich würde sofort aufhören, wenn ich spürte, dass die Phantasie der Kinder in eine ganz andere Richtung geht als meine", hat Barbara Oertel-Burduli einmal über sich gesagt. Sie musste nun gehen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind traurig.
Rheinische Post, 18. Juli 2002. Natascha Plankermann