Frauen-Kultur-Archiv

Historische Wohnorte von Frauen der Düsseldorfer Kulturszene

Leonore Niessen-Deiters, Autorin: Grafenberger Allee 64

1879 wurde im Haus Nr. 64 auf der Grafenberger Allee Leonore Deiters geboren, Tochter des Landschaftsmalers Heinrich Deiters und Schwester des Malers und Zeichner Hans Deiters. Statt wie vom Vater gewünscht sich der Malerei zuzuwenden, schrieb sie Gedichte und Prosatexte und hatte damit Erfolg. Neben humorvollen bis satirischen Erzählungen in mehreren Bänden und zahlreichen Publikationen in Zeitschriften erschien 1912 ihr erster Roman, ein Liebesroman im Düsseldorfer Malermilieu angesiedelt. „Treffliche Milieuschilderung und gut gesehene Gesellschaftsbilder aus dem Leben der rheinischen Kunststadt“ sah die „Wiesbadener Zeitung“ darin gestaltet (4.05.1913). Die Erzählungs-Bände wurden in der Presse deutschlandweit ausführlich und positiv rezipiert.

Nach ihrer Scheidung von ihrem ersten Mann und dem Umzug nach Buenos Aires zu ihrem 2. Partner, dem Diplomaten Ernesto de Quesada, wendete sie sich verstärkt dem Kulturjournalismus zu. Ihre Texte veröffentlichte sie auch in argentinischen Zeitschriften. 1930 zog das Ehepaar de Quesada nach Spiez in die Schweiz, wo Leonore Niessen-Deiters de Quesada 1939 mit 60 Jahren nach langer Krankheit starb.

© Frauen-Kultur-Archiv. Quelle: Dem Vergessen entgegen. Frauen in der Geistesgeschichte Düsseldorfs. Lebensbilder und Chroniken. Dokumentation einer Ausstellung des Frauen-Kultur-Archivs. Neuss 1989, S. 159-161.

Gedichte von Leonore Niessen-Deiters

Irrtum

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Wir waren Kinder. Kinder
Liefen Hand in Hand
In jenes ferne fremde schöne Land
Und gingen irr,
Und fanden uns nicht mehr.

Nun streuten frühe Fröste Reif uns in das Haar;
Und jeder geht allein den öden Weg,
Und geht mit wunden Füßen ohne Ziel.
Und keines Herdes Flamme wärmt uns jemals wieder,
Die nirgend wir daheim und immer einsam sind.

In: Verse von L. Niessen-Deiters. Buenos Aires 1925, S. 79

Herbst

Warum bist du nicht zu mir gekommen,
Als mein Garten in Blüte stand!
Nun hat des Sommers glühende Sonne
Alles verbrannt –

Blumen blühten in meinem Garten
Du — so voll Duft!
All ihr lieblicher Atem füllet
Nie mehr die Luft –

Vögel sangen in meinem Garten
Du – so voll Glück!
All ihr helles Gezwitscher kehret
Nicht mehr zurück –

In: Verse von L. Niessen-Deiters. Buenos Aires 1925, S. 95

Der Ton

Schwermütig klingt ein Geigenton
Durch unser Leben mit,
Klingt seit der Stunde, da um uns
Die Mutter liebend litt;
Klingt seit der Stunde, da um uns
Ernsthaft der Bruder Tod
Für eine kurze, kurze Frist
Die Hand dem Leben bot –

Pan’s Flöte klingt nun hell und laut. –
In wunderlichem Tanz
Umzirkelt blendend Aug‘ und Ohr
Des Lebens wirrer Glanz
In Kampf und Lust und Leidenschaft,
In Stolz und keckem Mut,
In Liebesglück und Hasseskraft,
In Gier und wilder Glut.

Doch abseits steht der Bruder Tod;
Er lächelt ernst und schweigt,
Hält in der Hand sein Instrument
Und lächelt, schweigt und geigt.
Und manchmal trifft ein leiser Ton,
Wie Mutterwort so lind,
In stillsten Stunden unser Ohr
Die unsre besten sind –

In: Verse von L. Niessen-Deiters. Buenos Aires 1925, S. 123.