Frauen-Kultur-Archiv

Düsseldorfer Malerinnen 1800-1945

Marie Wiegmann (1820 – 1893)

Am 7. November 18201 wurde Marie Hancke in Silberberg, im vormaligen Regierungsbezirk Breslau gelegen, geboren.2 Über ihre ersten 20 Lebensjahre ist nichts überliefert3, man kann aber davon ausgehen, dass sie eine malerische Grundausbildung erhalten hatte. Als sie 1841 mit 21 Jahren zu Studienzwecken nach Düsseldorf kam, wurde sie vom Historienmalers Hermann Stilke als Schülerin angenommen. Sie wechselte zu Carl Friedrich Sohn, zum Fach der Porträtmalerei. Ihr Lehrer porträtierte sie 23jährig als schöne, aparte Frau, die von Zeitgenossen als die „talentvollste Schülerin“ von Professor C. F. Sohn angesehen wurde.4

Im ersten Jahr in Düsseldorf heiratete sie Rudolf Wiegmann. Er hatte Architektur und Kunstwissenschaft studiert und trat als Autor kunstwissenschaftlicher Schriften hervor, aber auch als Maler und Grafiker. Seit 1839 war er Professor für Baukunst an der Düsseldorfer Akademie. 1842 wurde die Tochter Klara geboren und 1846 der Sohn Arnold. Die Familie Wiegmann wohnte in der Pfannenschoppenstraße 32, später umbenannt in Klosterstraße.

Noch in der Ausbildung trat sie bereits 1842 an die Öffentlichkeit „mit einem Bildnisse in lebensgroßer halber Figur“, wie ihr Mann berichtet5. Das Gemälde „Hagar und Ismael“ wurde 1843 vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf für die Verlosung erworben und ausgestellt. Die Faszination für die italienische Kunst teilte sie mit ihrem Mann, der vier Studienjahre in Italien verbracht hatte und so unternahm sie 1843 und 1845 eine italienische Studienreise.

In den Jahren 1846 bis 1850 lag ihr Schaffensschwerpunkt im „Idealgenre nach romantischen Motiven“, wie die zeitgenössische Terminologie lautete. Märchen- und Mythen-Motive gestaltet sie nach zumeist spätromantischen literarischen Vorlagen. So zeigte sie 1847 das Gemälde „Die Elfen“ nach einem Gedicht von Ludwig Uhland in der Düsseldorfer Kunstverein-Ausstellung. 1848 war sie damit auch auf der Berliner akademischen Kunstausstellung vertreten. Der Kölner Kunstverein kaufte 1850 das Bild „Elfen-Ritter“ und der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf erwarb im gleichen Jahr das Gemälde „Damajanti“ zu Friedrich Rückerts epischer Dichtung „Nal und Damajanti. Eine indische Geschichte“ von 1828.

Seit 1851 arbeitete Marie Wiegmann verstärkt im Porträtfach; sie widmete sich den Kinderporträts und den Frauen-Porträts. Das Bildnis der Gräfin von Hatzfeld, geb. Gräfin von Dietrichstein entstand 1852. Ausstellungsbeteiligungen in Berlin wurden die Regel; das dort 1852 ausgestellte Gemälde „Zwei Großmütter“ ging in den Besitz von Queen Victoria über. In England hielt sich die Künstlerin 1853 zu Studienzwecken auf und fertigte dort ebenfalls Arbeiten im Porträtfach an, wie Rudolf Wiegmann berichtet.6 Er verweist auch auf weitere Studienreisen zu den Gemälde-Galerien in Dresden, Berlin und in Holland.7

In den folgenden Jahren war sie mit Frauenporträts, Kinderbildern und Genrebildern neben Düsseldorf und Berlin auch in wichtigen Ausstellungen in Köln, München, Hannover, Oldenburg und Kassel vertreten. Kunstvereine waren am Ankauf ihrer Bilder sehr interessiert, da sich bei den von ihnen organisierten „Verlosungen“ für ihre Mitglieder stets kaufkräftige private Käufer, oft aus dem Hochadel stammend, fanden. So erwarb beispielsweise 1857 der Düsseldorfer Kunstverein das Genrebild „Ein Wiedersehen“. 1859 wurde Marie Wiegmann mit der ‚kleinen’ Goldene Medaille der Berliner Akademieausstellung ausgezeichnet.

Das Jahr 1865 wurde zum privaten Umbruchjahr. Rudolf Wiegmann starb 61jährig am 18. April und einen Monat später verstarb mit nur 4 Jahren ihr 3. Kind, der 1861 geborene Sohn Walter. Marie Wiegmann nahm in dieser Lebenskrise eine Pflegetochter auf, Auguste Bettauer, genannt Else Wiegmann.8 Die Witwe arbeitete weiter als sehr erfolgreiche Porträtmalerin. Zu ihren Modellen gehörten in den folgenden Jahren u. a. der aus Düsseldorfer stammende Geschichtsprofessor Heinrich von Sybel (1865), ihr Lehrer Carl F. Sohn (nach 1865), der Jurist und Kunsthistoriker Karl Schnaase9 und die Tochter des stellv. Regierungspräsidenten in Düsseldorf, Clara Viebig, die Ende der 70er Jahre noch nicht als Autorin hervorgetreten war.10

Die durchgängig positive Rezeption der Künstlerin in der zeitgenössischen Kunstkritik soll nun in einigen Beispielen veranschaulicht werden. 1860 war Marie Wiegmann mit „Kind von der Insel Marken“ in der Ausstellung des Düsseldorfer Malkastens vertreten,. Die Kunstzeitschrift „Die Dioskuren“ führte dazu aus: „das ist mehr als die virtuosenhafteste Kopie der nackten Wirklichkeit, das ist edel durchgeistigte Natur, meisterhaft gemalt, doch einfach, ohne Ostentation“. (5. Jg., 1860, S. 253) Zum vom Rheinisch-Westfälischen Kunstvereins ausgestellten Gemälde „Die Betende“ heißt es 1861 in den „Dioskuren“: „Das Renommee dieser Künstlerin steht fest und ist wohl verdient. Sie verbindet mit einem merkwürdigen Farbensinn die markige lebendige Technik einer Männerhand. Auch das in Rede stehende Bild hat ungemein viel Schönes in der Farbe […]. (6. Jg., 1861, S. 284). Im Juni 1868 las man in der „Kunstchronik“, der „Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe“ zu den „permanenten Kunstausstellung in Düsseldorf“: „Höchst lobenswerth ist ferner ein Frauenkopf von Marie Wiegmann, der die seltene Begabung der trefflichen Künstlerin wieder so recht anschaulich machte.“ (3. Jg., 1868, S. 145)

Marie Wiegmanns Renommee zog auch Kunst-Schülerinnen an; als die erfolgreichste gilt die Genremalerin Ernestine Friedrichsen (vgl. die Darstellung zu ihr auf diesen Seiten). Während ihrer Aufenthalte in Berlin in den 60er Jahre hatte der damals bekannteste Porträtmaler Berlins, Eduard Magnus, sie in sein Atelier aufgenommen.11 Wiegmann war Mitglied im „Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin“ und sie war u. a. ein geschätzter Gast im Salon der Hedwig von Olfers.12

Nach kurzer Krankheit starb Marie Wiegmann am 4. Dezember 1893, nachdem sie mehr als 50 Jahre in Düsseldorf gelebt und erfolgreich gearbeitet hatte. In der „Kunstchronik“ hieß es im Nekrolog: „Auf dem Gebiete der Bildnismalerei zeichneten sich die Werke der Künstlerin durch eine geist- und talentvolle Auffassung und eine geschmackvolle malerische Anordnung aus; auch im Genre, dem sog. Idealgenre, hat sie Treffliches geleistet.“13

© Ariane Neuhaus-Koch, Frauen-Kultur-Archiv

  1. Das Geburtsjahr 1826 wird in den meisten Lexika-Beiträgen und in Forschungs-Erwähnungen ungeprüft tradiert, auch im Lexikon der Düsseldorfer Malerschule: 1819-1918, Bd. 3, München1998, S. 416. Die Todesanzeige im „Generalanzeiger für Düsseldorf und Umgegend“ vom 5. Dezember 1893 (Nr. 341) und der dortige Nekrolog am 6.12.1893 (Nr. 342) belegen jedoch, dass sie, 1820 geboren, im Alter von 73 Jahren starb.
  2. Die Grundlage der Darstellung bildet unser Artikel zur Malerin in: Neuhaus-Koch, Ariane, Werner, Marlo; Vahsen, Mechthilde; Hedderich, Petra: Dem Vergessen entgegen. Frauen in der Geistesgeschichte Düsseldorfs. Neuss: 1989, S. 29-30.
  3. Der diesbezüglich best informierte Zeitgenosse, ihr Ehemann Rudolf Wiegmann, beginnt seine Darstellung zu Marie Wiegmann erst mit dem Jahr 1841. In: Die Königliche Kunst-Akademie zu Düsseldorf: ihre Geschichte, Einrichtung und Wirksamkeit und die Düsseldorfer Künstler. Düsseldorf: 1856, S. 266.
  4. Müller von Königswinter, Wolfgang: Düsseldorfer Künstler aus den letzten fünfundzwanzig Jahren. Kunstgeschichtliche Briefe. Leipzig: 1854, S. 180.
  5. Rudolf Wiegmann, a .a. O. S. 267.
  6. Ebd. S. 268.
  7. Ebd.
  8. Mit diesem Namen unterzeichnete sie die Todesanzeige ihrer „lieben Pflegemutter“ (s. FN 1).
  9. Ausgestellt im Kunstsalon Eduard Schulte in Düsseldorf; das Porträt wurde von der Berliner National-Galerie erworben.
  10. Das Porträt befand sich im Besitz der Autorin und gilt heute als verschollen.
  11. Vgl. Marie von Olfers: Briefe und Tagebücher: 1826 – 1869. Hrsg. von Margarete von Olfers. Berlin 1928, S. 227.
  12. Ebd. 229.
  13. Kunstchronik, N.F. 5. Jg., Nr. 9 vom 21.12.1893, S. 145.