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Rheinischer Kulturjournalismus

Dämon im Reisfeld


Japanische Photographie in der CCD-Galerie

„Japanische Photographie“ von sechs zeitgenössischen Künstlern – diese Ausstellung wird gewiß auch manchen nicht professionell Interessierten in die CCD-Galerie (Hüttenstraße 47) locken. Daß Japan, der rasante Aufsteiger im Weltmarkt der Photoindustrie, auch künstlerisch manch Eigenes zu bieten hat, wird selbst in einer so begrenzten Ausstellung deutlich. Gegenüber den auch hier erkennbaren Übernahmen aus dem Westen ist es gerade das Bodenständige, der alten Tradition Entwachsene, was besonders beeindruckt.

Am reinsten bewahrt wird es – bei gleichzeitiger Angleichung an moderne, konstruktiv-abstrakte Strukturen und puristische Vereinfachung – von Takeji Iwaniya (geb. 1920), einem der Klassiker der japanischen Photographie, von dem es auch zahlreiche Buchveröffentlichungen gibt. Im Ausschnitt eines Tempel-Innenhofs mit Holzsäule und auf den Boden geworfene Gitterschatten, in der Strenge, strukturellen Feinheit und Präzision eines geschnitzten Dachrandes, eines verfugten Wanddetails ist typisch Japanisches bildhaft erfaßt.

Dinge werden zum abstrakten Zeichen, zum Symbol einer von Disziplin und Sensibilität bestimmten Geisteshaltung in Aufnahmen von Mattengefechten, einem Reisstrohbesen, von Kimono, Fächer und Eßstäbchen.

Auch in den Beauty-Photos-Farbaufnahmen japanischer Cover Girls des auch bei uns bekannten, durch viele Preise ausgezeichneten Mode- und Werbephotographen Hideki Fujii ist bei allem „Styling“ doch ganz konzentriert japanisches Wesen eingefangen. Die zarten Mädchen, oft im Kimono, mit den weißgepuderten, wie unter Masken des Geheimnisses verborgenen, fernöstlichen Mona-Lisa-Gesichtern, strahlen jene kultivierte Beseeltheit, gemischt mit einem Hauch von Melancholie, aus, die man in der kalten Sachlichkeit europäischer Mode- und Werbephotos vergeblich sucht.

In gefährliche Nähe des Süßlichen gerät allerdings Fernöstliches zuweilen in Shinya Fujiwaras farbig und stimmungsmäßig mit dem Morbiden spielenden „Traumkleidern, Traumakrobaten“: Aufnahmen zu seinem 1978 bei Parco erschienenen Buch „Yumet suzure“ zeigen photographische Poesien über selbstentworfene Kimonos, die sich zuweilen über halb entblößten Mädchenkörpern in Fäden auflösen und zerfasern.

Eikoh Hosoe, der sich seit über 20 Jahren mit der künstlerischen Photographie beschäftigt, interpretiert in seiner 1970 als Buch erschienenen Photo-Serie „Kamaitachi – eine extravagante Tragikomödie“ eine alte japanische Geschichte und verbindet sie mit Erinnerungen an seine eigene Kindheit, „als er die Geheimnisse des Lebens auf dem Lande entdeckte“. Auch heute spuken dort noch abergläubische Vorstellungen. Hier ist es der Dämon Kamaitachi, der einen vereinsamten Menschen zum Wahnsinn treibt. Manches von diesem Hintersinn, den der westliche Betrachter nur ahnen kann, wird da zwischen Realität – Reisfeldern, Bauern, Händlern, Tempel – und verborgenen Spannungen eingefangen.

Um die psychische Problematik von Homosexuellen geht es in der 1971 erschienenen Folge „Ordeal by Roses“, in der Hosue europäische Bildsymbole aus der Renaissance, etwa Botticellis „Geburt der Venus“, und des Barock effektvoll aufnimmt und im Labor übereinander kopiert. Die Photos sind dem Dichter Yukio Meshima gewidmet, der 1970 Selbstmord beging.

Die schon Anfang der sechziger Jahre entstandene, doch erst 1970 als Buch edierte Photoserie „Embrace“, raffinierte, einem perfekten ästhetischen Formalismus huldigende Kompositionen von Körperdetails, sind Beiträge zum Thema Sex, die in Japan einen Sturm der Entrüstung auslösten.

Ganz anders Shoji Ueda (geb. 1913), der älteste hier vertretene Photokünstler. Er ist zugleich Maler. Vor allem in seiner schon zwischen 1930 und 1940 geschaffenen Schwarz-Weiß-Serie „Sanddünen“ vermeint man jene Bezüge zwischen Figur und Raum wiederzuerkennen, wie sie für die Malerei des Magischen Realismus der zwanziger Jahre in Europa charakteristisch sind. Vereinzelt hat Ueda die Personen in diesen stillen Bildern inmitten von Sanddünen arrangiert – den Maler, Geiger, Spaziergänger, das spielende Kind, das kleine Mädchen neben der Blume: eine besinnliche Szenerie.

In den erst unlängst entstandenen Farbphotos „Brillant Scenes“, die mit Weichzeichnner nach ähnlichen Prinzipien komponiert sind, ist dieser überzeugende Eindruck eher verwässert.

In: Rheinische Post. Feuilleton, 18. März 1982