Schriftsteller Dieter Forte wird 65 Jahre alt
Heute vollendet ein Schriftsteller das 65. Lebensjahr, der Dramen, Romane, Hörspiele, Fernsehspiele und Essays geschrieben hat, der von Kritikern im sogenannten deutschen Sprachraum, also auch in der Schweiz, wo er seit Jahrzehnten lebt, wegen einer ungewöhnlichen Sprachkultur gelobt wird, der aber als Person unspektakulär geblieben ist. Sein Name ist nicht etwa ein Geheimtipp, aber auch nicht in aller Munde: Dieter Forte. Im vorigen Jahr bekam er den Bremer Literaturpreis für sein Lebenswerk, vor allem für die Romantrilogie mit den Titeln „Das Muster“, „Der Junge mit den blutigen Schuhen“ und „In der Erinnerung“. Schon 1992 war er mit dem Basler Literaturpreis ausgezeichnet worden.
In seinem Werk findet sich immer wieder Kurzprosa, die sich den bekannten Kategorien zu entziehen scheint. Sie vermittelt die Bekanntschaft mit einem auf resigniert nachdenkliche Art angriffslustigen Dieter Forte; „Finita La Musica“ zum Beispiel oder „Notiz zu Büchner“ oder der Versuch über die österreichische Krimifigur Kottan.
In den siebziger Jahren war Forte als Autorenname immer wieder in Theaterrezensionen zu finden. Heftig diskutiert wurde über „Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung“, über „Kaspar Hausers Tod“ und „Der Artist im Moment seines Absturzes“. Keine rauschhafte Theaterkost war das und geradezu das Gegenteil vom damals aktuellen absurden Theater. Aber in den Bühnenwerken kündigte sich schon an, was im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts Fortes zentrales Thema wurde: den Menschen verstehen, indem wir begreifen, in welcher Welt der großen und der kleinen, alltäglichen Geschichte er so wurde, wie er ist. Das heißt aber auch, zu verstehen, warum immer wieder die Menschen verschiedene Wege gehen, auch wenn sie im selben Krieg, im selben Frieden, sogar an derselben Straße aufwachsen.
Diese Straße findet sich in Düsseldorf, in Fortes Geburtsstadt. Dieter Forte, dessen Lebens- und Schreibwelt das von humanistischer Tradition bestimmte Europa ist, Dieter Forte also ein lokaler, vielleicht sogar ein Heimat-Schriftsteller? Die Tatsache, dass er die bedeutendste Ehrung, welche die Stadt zu vergeben hat, den Heinrich-Heine-Preis, bisher nicht bekam, stützt nicht den Verdacht lokaler Enge, denn der Heine-Preis ist kein Literaturpreis, auch wenn ihn Schriftsteller wie Carl Zuckmayer und Hans Magnus Enzensberger bekommen haben.
Keinen materiellen, aber einen hohen ideellen Wert in der literarischen Welt hat die Heinrich-Heine-Ehrengabe, die die Düsseldorfer Heine-Gesellschaft vergibt. Sie würde einen Schriftsteller auszeichnen, der es nicht nötig hat, sich durch Modernismen bei den Jungen, durch Derbheiten bei den Stammtischen anzubiedern, der aber mit keiner Zeile ein biederer Schreiber ist, vielmehr einer, der von sich und seinen Lesern alles fordert, detailbesessen, ohne redselig zu sein, mit ironischer Distanz zu den aufsteigenden, mit ironischer Zuneigung zu den ausgleitenden Gestalten seiner Romane – eben ein wirklicher Erzähler.
Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Feuilleton, 14. Juni 2000