Frauen-Kultur-Archiv

Rheinischer Kulturjournalismus

Dramen des Innern

Ölbilder von Cesar Klein in der Galerie Bläser

Wieder einmal stellt die Galerie Norbert Blaeser (Bilker Straße 5) einen Künstler vor, dessen überwiegend in der Zeit zwischen den Weltkriegen entstandenes Werk in der Abgeschiedenheit seines Ateliers nahezu dem Vergessen anheimgefallen ist: den 1876 in Hamburg geborenen, 1954 in Pansdorf bei Lübeck gestorbenen Maler Cesar Klein. Anregung zu dieser Retrospektive mit 20 Ölgemälden gab das im expressionistischen Stil gemalte Bild „Ruhe auf der Flucht“ (1918), das der Galerie-Inhaber im schleswig-holsteinischen Landesmuseum Schloß Gottorf entdeckte und das als Leihgabe auch in der jetzigen Verkaufsausstellung zu sehen ist.

Es entstand unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin, als Cesar Klein dort zu den Mitbegründern der November-Gruppe gehörte. Der Künstler, der im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts an der Hamburger Kunstgewerbeschule, dann an den Kunstakademien in Düsseldorf und Berlin studiert hatte, war als freischaffender Maler 1903 aus Leipzig nach Berlin zurückgekehrt. Dort stellte er in der Sezession aus, war auch 1912 an der Kölner Sonderbund-Ausstellung beteiligt und gehörte 1914 zum Vorstand der Kölner Werkbund-Ausstellung.

1919 wurde Cesar Klein als Lehrer an die Berliner Akademie berufen und hatte in den folgenden Jahren unter anderem Einzelausstellungen in der Kestnergesellschaft Hannover und bei Gurlitt in Berlin. 1933 gehörte Klein zu den ersten, die die NSDAP vom Lehramt beurlaubte. Später zog er sich nach Pansdorf bei Lübeck zurück. Trotz seiner Nachkriegsausstellungen in den Kunsthallen von Hamburg, Kiel und anderen Großstädten sind Name und Werk von Cesar Klein noch wenig im Bewußtsein der Kunstfreunde präsent – unterlagen deshalb aber auch nicht kaum dem Verschleiß im Kunstbetrieb.

Die großformatige „Ruhe auf der Flucht“ in einer romantischen Gebirgs- und Flußlandschaft, deren Farben im letzten Tagesschein der Sonne rot und orange aufleuchten, während die Mondsichel über einem schon bläulich verschatteten Bergmassiv, über dem Zelt, dem davor sitzenden Josef, dem grasenden Esel, der im Zentrum des Bildes auf einem Hügel sitzenden zarten Madonna mit Kind aufgeht, ist bei aller Farbexpressivität eher still und verinnerlicht.

Solche introvertierte Empfindungsintensität, dabei nun eher subtil und klangvoll nuancierte, Seelisches reflektierende Farben, kennzeichnen auch die Bilder der zwanziger Jahre, mit ihren klar gegliederten und gegeneinander abgegrenzten, oft collagenhaft geschichteten Farbflächen mit kubistischem Einschlag. Die typisierend wiedergegebenen Figuren orientieren sich – im Stil der zwanziger Jahre – am klassischen Schönheitsideal.

Wir werden in diesen Gemälden Zeugen von Szenen, die mit innerer Dramatik aufgeladen sind. Sie scheinen aus dem Leben gegriffen und wirken doch inszeniert, als handele es sich um Theatergeschehen mit tragischem Hintergrund. Darauf deuten auch der in der Hand gehaltene Fächer, der unheimliche schwarze Schatten hinter einer „Frau mit Hündchen“ (1929) oder die volkstümlich-bäuerliche, wohl balkanesische Tracht der „Zwei Frauen mit Brief“ (1928): Weich fließende Linien, der Ausdruck von verhaltenem Schmerz und stillem Mitgefühl scheinen sie zu verbinden.

In den dreißiger Jahren hat sich der in Ungnade gefallene Künstler auf mythisch-symbolische Figurendarstellungen und Szenen zurückgezogen, die oft wie große beschwörende Zeichen reglos im Raum stehen, nicht selten vor kulissenartigen Prospekten oder Rahmen. Wieder wird man an Bühnenauftritte erinnert, die nun in eine fast kosmische Weite projiziert sind, auch an silhouettenhafte oder in Holz geschnitzte, farbig ornamentierte und strukturierte Figurinen.

Bezüge zum Kubismus, zur Pittura Metafisica, zu Henry Moore, auch zu den Zeichnungen von Archipenko und zu Picasso sind erkennbar in Bildern wie „Versuchung“ (1933), „Maternità“ (1945), „Botschaft der Taube“ (1947), „Eros“ (1947), „Lemuren“ (1949) oder „Sibylle“ (1953). Üppig barocke tänzerische Theatralik, Gestalten der Commedia dell’arte begegnen uns in dem schwungvollen „Tanz“ von 1951.

Man kann in diesen Gemälden die vielfältige künstlerische Tätigkeit Cesar Kleins auch auf den Gebieten von Bühnenbild, Wandmalerei, Glasfenster, Mosaik, Intarsien ahnen. Er schmückte viele öffentliche und private, profane und sakrale Gebäude und Räume aus. In diesen mit einer Ausnahme figürlichen Bildern verdichtet sich sehr stark der Geist des ersten Nachkriegs-Jahrzehnts mit seinem Erkunden unbekannter Seelengründe, seinem Hang zum Mythischen. Aber auch die Rückbindung an die frühen zwanziger Jahre wird in eigenwilliger Weise deutlich.

In: Rheinische Post. Stadtpost / Düsseldorfer Feuilleton, 19. März 1983.