Barbara Heinisch in der Galerie Zimmer
Barbara Heinisch, 1944 in Rathenow/Mark Brandenburg geboren, gehört zu den Künstlerinnen, die durch die Intensität und Ernsthaftigkeit des Erlebens die Neue expressive Malerei zu immer verdichteterer Bild- und Aussagekraft steigerten. Die ehemalige Schülerin von Beuys und Hödicke, die Auszeichnungen wie den Deutschen Kritikerpreis, Berlin, das PS-1-New-York-Stipendium, Berlin, und das Kunstfonds-Stipendium, Bonn, vorweisen kann, zog 1986 von Berlin nach Düsseldorf, wo sie von der Galerie Elke und Werner Zimmer (Oberbilker Allee 27) vertreten wird.
Ihre jetzt dort gezeigte Ausstellung mit Bildern aus zehn Jahren (1979-1989) läßt erkennen, welche Reife und Souveränität sie inzwischen erreicht hat. Auch ihr selbst erfundener und entwickelter aktionistischer, dialogischer Malprozeß ist in ein neues Stadium eingetreten. Barbara Heinisch malte früher ihre großen Tempera-Bilder (auf Nessel) in direkter gestischer Berührung mit ihrem Modell, das hinter der Leinwand agierte, tanzte, sein Wesen, seine Emotionen, seine Gegenwart und ihre Ausstrahlung in Bewegungen einbrachte und darstellte: Sie drückten sich ab und wurden von der Künstlerin malend aufgefangen. Doch keineswegs nur als reine motorische, dynamische Geste, sondern als energetisches Phänomen, als direkte Übertragung spiritueller und sinnlicher Energien an der Nahtstelle zwischen dem lebenden Körper und dem gemalten Bild.
Farbspuren im leeren Raum
Aus dieser Zeit solcher direkter Induktion stammt noch „Sprungkraft“ von 1979, ein Schlüsselbild jener Periode der blitzschnell nach Körperabdrücken gemalten Bewegungsabläufe. Sie stehen als Farbspuren im leeren Raum mit viel freigelassenem Nesselgrund und beziehen noch nicht das Umfeld als total visualisierten malerischen Organismus ein wie in den späteren Bildern. Kam hier die Inspiration durch ein männliches Modell, so ist das ebenfalls frühe dreiteilige „Totem und Tabu“ mit seinem roten, sich verströmenden Zentrum eine Beschwörung des Weiblichen. Es weist auf Ursprünge, Geburtsvorgänge hin.
Die seit 1987 entstandenen Bilder sind zwar weiterhin Dialogmalerei im Zusammenspiel mit Modellen, doch nicht mehr direkt auf den Körper gemalt. Der oft ekstatische Impuls teilt sich dem ganzen Bild mit, das sich in der Bewegtheit von Gestik und expressiven Farben verselbständigt.
In einer Kirche gemalt
In dem großen Tempera-Bild „Genesis“ von 1988 scheinen sich die farbdurchglühten violetten, goldgelben, erdfarbenen Figuren in einem rituellen, sakralen Tanz flammend und zugleich meditativ in einem gemeinsamen Imaginationsraum zu begegnen. Als durchsichtiger Farbraum schimmert er auch durch ihre Körper. Figuren, Bewegung und Bildgrund verschmelzen, Licht umfängt alles. Barbara Heinisch hat dieses Bild nach Musik von Ligeti in einer Kirche gemalt mit Robert Solomon vom Tanztheater Düsseldorf als Modell, während der ekstatische „Tanz“ (1987) nach Saxophonmusik, gespielt von Sibylle Pomorin, und mit der Kölner Tänzerin Mane Lu Leisch entstand.
In „Lichtsturz“ (1987) mit seinem von sakralem Licht getroffenen, unter der Kraft dieses Strahls zusammenstürzenden oder nach ihm greifenden Figuren verarbeitete die Künstlerin einen eigenen Traum. Immer wieder fordern sie Engel, Geistwesen und Lichtfiguren zur malerischen Auseinandersetzung heraus. Sie ist so intensiv, daß man in den Bildern geradezu eine Identifikation mit den Modellen zu verspüren meint.
Der „Sonnentanz“ von 1987 entstand als kraftvoll-vitales, farb- und lichtdurchglühtes Gegenbild – mit demselben Modell – zu „Tanz der Dämonen“: einer Ballung von Schrecken, Grauen und Leiden in morbiden, ausgelaugten Farben als Darstellung eines psychodramatischen Prozesses mit maskierten Figuren und als Reflex eines von ihrem Modell erlebten Motorrad-Unfalls. Gemalt wurde das Bild am Rosenmontag angesichts des närrischen Treibens auf den Düsseldorfer Straßen.
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 27. September 1989