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Rheinischer Kulturjournalismus

Gerda Kaltwasser: Harfen vom Wunderland der Dichtung


Rose Ausländer mit einer Ausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus gewürdigt / Czernowitz bis Düsseldorf

Harfenistin Gertrude Schaffer wartete geduldig, bis auch die letzten Gäste der Ausstellungseröffnung im Gerhart-Hauptmann-Haus zum 100. Geburtstag der Dichterin Rose Ausländer mit einer Sitzgelegenheit versorgt waren.

Dann tropften im steten Fluss Melodien aus dem Wunderland deutschsprachiger Dichtung, aus der Bukowina, einst östliches Österreich, ins Ohr – Einstimmung in eineinhalb Stunden Verzauberung, begleitet von Wehmut über unvorstellbare Verfolgung und den Verlust von geistigem Kapital, verursacht durch Menschen, die ebenfalls Deutsch sprachen und ihren Stolz auf deutsche Dichtung zur todbringenden Arroganz trieben.

Rose Ausländer, geboren als Rosalie Scherzer am 11. Mai 1901 in Czernowitz in der Bukowina, gestorben im Nelly-Sachs-Altenheim der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf am 3. Januar 1988 und hier auf dem jüdischen Friedhof im Nordfriedhof beerdigt, hat trotz ihres durch Verfolgung und Vertreibung unsteten Lebens ein unfassbar großes dichterisches Werk hinterlassen.

Ebenso unfassbar groß ist die Sammlung an Briefen, Zeugnissen mit Noten zwischen „lobenswert“ und „vorzüglich“, außerdem Bücher, die sie jahrzehntelang begleiteten. Helmut Braun, unermüdlicher „Wanderprediger für Rose Ausländer“, Berater in ihren letzten dreizehn Lebensjahren, Herausgeber, Nachlassverwalter, soweit das Schriftstellerische nicht hier im Heine-Institut gepflegt wird -, Braun also hat alles in Rahmen und Vitrinen geordnet und mußte dabei mit dem „Luxusproblem der Auslese“ fertig werden, ein Problem, das in bescheidenerem Maße auch der Ausstellungsbesucher hat. Deshalb nur ein kleines anekdotisches Appetithäppchen: Zu sehen ist auch eine Hölderlin-Ausgabe mit Hitlerbild.

Das folgende Ergebnis der Forschung geht übers Anekdotische hinaus: Die tiefgehende Wandlung der Dichterin vom traditionellen Reim zum freien Versmaß geht nicht auf den Einfluss ihres Landsmanns Paul Celan zurück, sondern entwickelte sich in New York – zu Celans Überraschung

Aber was ist solche Theorie gegen das gesprochene Wort? Edith Silbermann – sie hat mit ihrem Mann Alphons Rose Ausländer geholfen, sich in Düsseldorf niederzulassen -, Edith Silbermann las Rose Ausländer, las das Gedicht vom „Mutterland Wort“ und jenes, das der Geburtstagsausstellung den Titel gab „Mit meinem Seidenkoffer reise ich in die Welt“. Reine Lyrik ist das, Melodie und konzentrierte Arbeit an der Sprache, zugleich Beweis dafür, daß vollendete Lyrik nicht nur persönlich, sondern auch zeitbezogen und im weitesten Sinn politisch sein kann.

Zu Rose Ausländers 100. Geburtstag wird die Ausstellung dann in Czernowitz eröffnet, dazu bietet die Rose-Ausländer-Gesellschaft eine Reise an. Zuvor aber wird in der Ausstellung, die auch ein Porträt der Dichterin und Zeichnungen zu deren Gedichten von der 90-jährigen Düsseldorfer Malerin Marianne Mangold-Nienhaus zeigt, Rolfrafael Schröer am 19. Januar um 19 Uhr Dichter um Rose Ausländer vorstellen: Paul Celan, Alfred Margul-Sperber und Alfred Kittner, der ebenfalls seine letzten Lebensjahre in Düsseldorf verbracht hat.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 13. Januar 2001