Längst hat Lambertus es eingesehen – er ist ziemlich altmodisch. Altmodische Leute, das zeigt die Erfahrung, die nicht erst Lambertus’ Generation macht, wundern sich häufiger als jene, die jede neue Entwicklung hinnehmen und keinen Grund zum Wundern haben.
Lambertus wundert sich über manchen Neubau, der in der Innenstadt entstanden ist und nach des Bauherrn Willen Büros aufnehmen soll. Viele dieser Komfort-Büro-Etagen stehen ziemlich lange leer und ungenutzt. Der verwunderte Lambertus erfährt, das sei nicht so schlimm, schließlich handele es sich um Abschreibungsobjekte. Ach so.
Aber was ist mit den Erdgeschossen? Seit Soziologen festgestellt haben, daß Stadtteile, in denen nur Büros existieren, veröden, läßt der kluge Investor im Erdgeschoß Läden bauen. Klein und teuer und deshalb nur schwer zu vermieten oder zu verpachten.
Statt in aparte Boutiquen, freundliche Tante-Emma-Läden eintreten zu können, fühlt sich Lambertus alle paar Meter aufgefordert, in riesige, bunt belegte Brötchen zu beißen. Die heißen zwar nicht Brötchen sondern Baguettes, werden aber auch aus Mehl und Wasser gebacken. Oder eine amerikanische Speiseeiskette will ihm unbedingt bei Temperaturen unter Null ein Kompaktangebot von fünf verschiedenen Schokoladeeis-Sorten unter den Gaumen reden.
Nun scheinen Lambertus die Brötchen wie das Eis zum Fress-Stress der an Verödungssymptomen leidenden Büro-Angestellten zu gehören. Abendliche Belebung der Innenstadt hat er durch sie noch nicht feststellen können.
Lambertus
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 26. Februar 1983