Bernt Hahn las Hermann Harry Schmitz
Im Kammermusiksaal des Palais Wittgenstein herrschte gespannte Stille. Aber nicht lange, dann kicherten hier und dort die Gäste; das Kichern schwoll immer wieder an zu stürmischem Gelächter. Die Heiterkeit hielt auch in der Pause an und ergriff selbst den Rezitator des Abends, Bernt Hahn, so sehr, daß er einmal nicht weiterlesen konnte, sich erst einmal ausprusten musste. Anlaß der Heiterkeit waren die Grotesken des Düsseldorfers Hermann Harry Schmitz, der nach einem kurzen Dasein voller Leiden vor 75 seinem Leben ein Ende setzte, der aber bis heute bei einer großen Lesergemeinde jeden Alters unsterblich geblieben ist. In der vorigen Woche sind im Züricher Haffmans-Verlag diese Werke in drei Bänden neu erschienen (60 Mark) – Anlaß für das Heinrich-Heine-Institut, das Stadtmuseum und das Kulturamts, Schmitz-Grotesken lesen zu lassen.
Bernd Kortländer vom Heine-Institut stellte Autor und Neuerscheinung kurz vor. Bernt Hahn, den sein Generalintendant für knappe zwei Stunden aus der Generalprobe im Großen Haus entlassen hatte, las neben dem Flügel mit der Büste des Groteskenschreibers, einer Porträtbüste, der anzusehen ist, daß Hermann Harry Schmitz ein ebenso scharfer Denker wie Beobachter gewesen ist.
Was ist zu sagen etwa zur Geschichte vom „Ersten Tag an der Table d’hòte“, die man heutzutage als gemeinsame Speisetafel im Hotel oder in der Pension bezeichnen würde im Gegensatz zum Essen à la carte? Da gibt es einen Herrn Schmitz, der sich auf die unglaublichste Art und Weise in ein Nudelknäuel verstrickt. Da gibt es auch eine Kölnerin, die als „brilliantenbeladne Korpulenz“ charakterisiert wird. Schmitz nimmt da gleich die Gelegenheit wahr, auf unnachahmlich übertreibende Art das Köln-Düsseldorfer Konkurrenzverhältnis auf den Arm zu nehmen. In anderen Geschichten treten ein Charleß Nulpe, ein Jean Maurice Ragout Fin auf und geraten in absurde, übertrieben komische Situationen.
Aber solcherlei Komik durch Übertreibung zu beschreiben, führt zu nichts. Lesen muß man das, lesen, am besten laut. Deshalb bitte, bitte, mehr davon und am liebsten bald. Die Fundgrube enthält keine Ladenhüter.
Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 17. Oktober 1988