Zum Welt-Frauenkongress in Wien vom 27. – 30. Juli 1931
Bedeutet die Rückkehr zu den langen Röcken, zum Federhut und Rüschenkleid nun eine seelische Wandlung der heutigen Frau? Beginnt damit eine produktivere Zeit, die der "wahren" Fraulichkeit entspringt? Oder ist dieser Federhut nur eine Sinnlosigkeit in unserer an Sinnlosem so reichen Zeit?
Aeußerlich betrachtet ist der Federhut eine Sinnlosigkeit, die kluge Frauen nicht mitmachen werden.
Und doch, tiefer gesehen: es fehlt, scheint es -, nur an der Erkenntnis, um die Zusammenhänge hier zu finden. Von den englischen Suffragetten zu der unabhängigen Frau von heute ist der Zeitraum ungefähr 30 Jahre. Und nun geht es nicht weiter. Die Frau merkt, daß es nicht so weitergehen kann, und daß die ewigen Gesetze der Geschlechterbestimmung auf die Dauer nicht ohne verhängnisvollen Schaden für die Frauenwelt unbeachtet gelassen werden kann. Und darum, um zu zeigen, daß man doch noch – bei aller Vermännlichung ein Weibchen geblieben ist, darum stülpt man sich schnell ein Federhütchen auf und wedelt mit Volants und Rüschchen herum.
"Ja, ja, die Wahrheit in der Geschichte der Geschlechter? Nikolaus von Sementowski sagt da ganz richtig: " Von der biblischen Ergebenheit der Frau dem Mann gegenüber, über ihre Isolierbarkeit in der Antike, ihre beinahe zynische Zurückstellung in der Renaissance und schließlich über die oberflächliche Galanterie des Rokoko führte der Weg zur Romantik, zur Anbetung, zum Kulte eines Hölderlin an Diotima." Das war der Höhepunkt. Das Bewußtsein der so vom Manne idealisierten Frau beginnt im 19. Jahrhundert zu erwachen. Sie kommt aus ihrer Enge als "nur anbetungswürdiges Idol" aus der Passivität des Ideals heraus und beginnt auf einmal den Zauber der Aktivität zu begreifen, für die ihr die Taten der Männer als Vorbild dienen. Zunächst ist es eine "geistige Aktivität". Doch bald vertauscht die Frau die begrenzten Bezirke abstrakter Geistigkeit mit Regionen umfassender Wirksamkeit, die bis dahin allein dem Manne vorbehalten waren. Statt Ideologien werden wirkliche soziale Ideen Lebensziele, Schicksale der Frauen. Und schließlich steht sie mitten im öffentlichen Leben, erst im Kampf mit dem Mann als noch nicht "erprobte Konkurrentin", dann aber als ebenbürtige Kraft.
Eines ist jedoch bei dieser Entwicklung offensichtlich, wie rühmlich sie auch sonst sein mag: die Frau hat keinen neuen, nur ihr allein eignen, für den Mann unerfüllbaren oder von ihm bis dahin noch nicht geprägten Ausdruck gefunden. Ueberall war sie seine Schülerin. Sie flüchtete in Ausdrucksformen, die ihm seit jeher geläufig und selbstverständlich waren, weil sie eine Erscheinungsform seines Wesens als Mann darstellten. Es gibt zwar Frauen, die Bücher schreiben, Frauen, die Politik treiben, Entdeckungen innerhalb der Wissenschaft machen usw. – es gibt jedoch keine Frau, die für ihre Eigenart als Frau einen eignen Ausdruck gefunden hätte, soweit er nicht schon ewig dagewesen ist: Gefährtin des Mannes und Mutter zu sein.
Im Hinblick auf diese unvergängliche Bestimmung, die keine Mode, keine Laune und kein noch so starker Wille ändern können, dürfen wir die Entwicklung der Frau in der Geschichte unseres Kulturlebens zwar als eine notwendige Wechselwirkung, niemals aber als ein endgültiges "ideales" Ergebnis der natürlichen Vervollkommnung betrachten. Jede Wechselwirkung ist fruchtbar, aber wie ein Kornfeld, das Jahr um Jahr ausgenutzt wird, einmal aufhört, fruchtbar zu sein, muß auch diese Wechselwirkung sich totlaufen.
Dieses Stadium des Leerlaufs hat die Entwicklung der Frau erreicht die Wechselwirkung hat aufgehört, produktiv zu sein. Die Frau steht vor der Notwendigkeit, in den Zustand ursprünglicher Empfängnisbereitschaft zurückzukehren, um wieder produktiv zu werden nicht aber eine verzerrte Spiegelung des Mannes. Der Mann hat mit Bedauern und Furcht die Emanzipation der Frauen verfolgt, nicht weil er "Konkurrenz" befürchtete, nicht weil er "sich nicht besiegen lassen wollte" nein, er hat sich innerlich dagegen gewehrt, wie einer, der fühlt, daß ihm das Kostbarste und Unentbehrlichste verloren geht. Die Emanzipation der Frau hat das Gegenteil davon erreicht, was sie erstrebte: nicht in Ehrfurcht steht der Mann vor der unabhängigen Frau, sondern wie einer, der der alles verloren hat und darum an nichts mehr glaubt. Der Mann glaubt nicht mehr an die Seelenhaftigkeit der Frau, die der Sehnsucht seiner Seele Zuflucht bedeutet, er glaubt nicht mehr an die Frau als Frau, glaubt nicht mehr an jene silberne Schale, in die er die Lasten seines Leids und die Freuden seiner Taten tragen darf! Er sieht in der Frau heute nur noch ein "physisches Phänomen"! Diese Entwürdigung fühlt die Frau mit dem Instinkt ihrer ewigen Bestimmung."
So spricht ein Mann, und ganz ehrlich, Unrecht kann man ihm kaum geben. Die Frau von heute, die über dem Durchschnitt steht, kämpft dagegen an, nur ein physisches Phänomen zu sein. Sie will ihrer weiblichen Bestimmung nach aufrichtig leben und betreuen und auch ein wenig beschützt wieder sein. Aber kurz gesagt, so etwas wieder "nur" Frau sein! Und das ist gut und wird der Familie neue Kraftquellen erschließen. Denn die Frau, die sich in die Familie zurücksehnt, wird ihr viel mehr uneigennützige Liebe entgegenbringen als die Frau, die sich heraussehnte, als die Frau der vorigen Generation, die mit Neid auf den im Berufsleben stehenden aktiven Manne schaute. Die Sehnsucht nach Mütterlichkeit und engbegrenzter Fraulichkeit ist berechtigt, unberechtigt aber ist der Umweg über Federhut und Volant. Alles Mittel des Männerfangs, die dem Gänschen überlassen bleiben sollten! Die "Weiblichkeit" der heutigen Frau kann sich anders behaupten. Wenn Sementowski glaubt, daß Frauen, die Bücher schreiben, Frauen, die Politik treiben usw., niemals für ihre Eigenart als Frau einen eigenen Ausdruck gefunden hätten, so könnte man das auch positiv ausdeuten: sie haben keinen spezifisch weiblichen Ausdruck gefunden, da sie eine menschliche, das heißt "männlich-weibliche" Einstellung zum Leben hatten. Hoffentlich sind sich die Frauen bei der Umstellung dieser Einheit: "menschlich" bewußt und werden in Mode und Gehabe nicht wieder sklavenartig weibchenhaft. Der Federhut, die Voläntchen und das Getue sind Anzeichen dafür. Echte Frauen sollten einmal darüber nachdenken.
In: Frauen-Beilage der "Gladbach-Rhydter Zeitung", 2. August 1931, Nr. 196