Vor 100 Jahren wurde die neue Kunstakademie eingeweiht
Kriege und Katastrophen, so will es die Geschichte, zerstören nicht nur, sie bewirken auch Neues. Die Düsseldorfer Kunstakademie hat dies mehrmals erfahren. Im Oktober 1794 vernichtete ein auf Düsseldorf gerichtetes Bombardement der Franzosen große Teile des alten Herzogschlosses am Rhein. Es wurde wieder aufgebaut, und als Peter Cornelius durch königliches Dekret 1821 die Leitung und Reorganisation der Schule übernahm, wurde ihr das Schloß als Domizil zugewiesen. Der Ruhm der „Düsseldorfer Malerschule“ ist mit diesem Gebäude verbunden.
Knapp 80 Jahre später, 1872, zerstörte ein verheerender Brand drei Flügel des Schlosses (nur das Galeriegebäude, in dem die Reste der nach München transportierten Sammlung aufbewahrt wurden, blieb verschont), mit den Bildern auch die Sammlung der Zeichnungen und Kupferstiche, der Ramboux’schen Kopien alter Meister, der Gipse und die Bibliothek. Der Maler Andreas Müller, Verwalter der Sammlungen, habe, so wird berichtet, den Inhalt des eignen Ateliers geopfert, um die Sammlung zu retten. Viele Ateliers brannten völlig aus.
Abermals richteten sich die Gedanken zunächst auf einen Wiederaufbau, doch bald wurde, vor allem innerhalb des Kollegiums, der Wunsch nach einem neuen Gebäude an anderer Stelle immer dringlicher. Nach langem Zögern, das besonders die Kosten betraf, gab das Ministerium schließlich seine Zustimmung. Als Gelände wurde schon bald das schmale Grundstück an der Südseite des sogenannten „Sicherheitshafens“ bestimmt, das den für die Künstler von damals außerordentlichen Vorteil einer langen, unverbaubaren Nordfront bot. Zum Architekten wählte man den jungen Hermann Riffart aus Köln. Mit dem Bau wurde 1875 begonnen, am 20. Oktober 1879, vor 100 Jahren also, wurde das Haus festlich eingeweiht. (Baukosten: 1 315 000 Mark).
Das Gebäude, mit einer Front von 158 Meter Länge, trägt die Merkmale seiner Entstehungszeit. Als „historisierendes“ Baudenkmal wurde es von der späteren Generation mißachtet und übersehen, der „Dehio“ erwähnt es nicht. Heute empfinden wir den Bau als einen wichtigen Akzent im Stadtbild und als ein Monument, das Repräsentanz mit nobler Zurückhaltung und die Würde eines Palastes mit einem „Zweckbau“ im Schinkelschen Sinne verbindet. Eva Brües ist der Baugeschichte nachgegangen (in der Schrift zum 200jährigen Bestehen der Akademie).
Es gehört Mut dazu, auf schmalem Grundriß eine Gebäude nur auf eine lange, von West nach Ost reichende Schauseite hin zu komponieren. Drei Risalite, Erinnerung an den barocken Schloßbau, springen unauffällig vor, ohne den Ateliers das Licht zu entziehen. Ein reiches, im einzelnen der italienischen Renaissance nachgebildetes Schmucksystem mit Säulen, Pilastern, Nischen und Bögen belebt den Baukern und nimmt ihm doch nichts von seiner Ruhe. Mut bedeutet es auch, einen „Palast“ dieser Art mit keinem wirkungsvollen Haupteingang in der Mitte zu versehen (die räumliche Situation ließ dies nicht zu) – der Eingang liegt vielmehr unauffällig an der östlichen Schmalseite.
Zwischen Erdgeschoß und 1. Stockwerk läuft ein Fries entlang, dem 62 Künstlernamen eingemeißelt sind. Um die Rangfolge der Künstler und ihre Platzierung gab es heftige Dispute, einig war man sich darin, die Namen Rafael, Michelangelo, Leonardo, die „Krone der Malerei“, am Mittelrisalit anzubringen. Die Lebenden bleiben ausgeschlossen, doch findet man die Namen Cornelius und Schadow und sogar Winckelmann und Schinkel.
Die Anordnung im Inneren ist vom praktischen Gebrauch bestimmt und blieb bis heute annähernd beibehalten. Gleichmäßig reihen sich die Ateliers aneinander, größere für die Monumentalmalerei, kleinere für die Tafelmalerei. Lehrer- und Schülerateliers waren nach Möglichkeit benachbart, damit die Lernenden an der Arbeit des Lehrers teilnehmen konnten. Die Aula wurde nach langem Hin und Her in den 2. Stock verlegt, wo anfangs die Reste der kurfürstlichen Sammlung öffentlich zu besichtigen waren. Später brachte man sie ins Erdgeschoß, und die Aula erhielt ihre eigne „harmonische Ausschmückung“ mit Kaminen, Deckenbildern und einem Fries des Akademiedirektors Peter Janssen. Der letzte Krieg hat alles, was davon übrig war, zerstört.
Acht Jahre nach Fertigstellung des Gebäudes wurde der Hafen zugeschüttet und auf dem neugewonnenen Gelände in Art eines Gewächshauses ein „Freilichtatelier“ errichtet, in das auch lebende Tiere Einlaß fanden. Unter schützendem Dach erfreute man sich des „Pleinair“.
Über die Einweihungsfeier des neuen Gebäudes haben wir einen ausführlichen Bericht von Karl Woermann, dem Vertreter der Kunstwissenschaft, der auch die Festrede hielt. Seltsam sind bei diesem „Festact“ Wilhelminisches Pathos und nachdenklichere Töne vermischt. Zu Beginn ein Dank an den Kaiser, den „Großherzigsten, Allergnädigsten Beschützer alles Guten und Schönen“, die Büsten des Herrscherpaares waren zu seiten der Rubensschen „Himmelfahrt Mariä“ postiert. Vaterländische Gesinnung sprach auch aus den Reden der Exzellenzen.
Woermann hingegen beschwor die Freiheit der Kunst und wandte sich gegen „die verknöcherten Methoden“ vergangener Zeiten. Er gedachte der „genialen Neuerer“, die sich durch das Studium der Natur dem Regelzwang entzogen. Das neue Haus, so schloß er, sei „ein heiliger Tempel der Wahrheit und der Schönheit“. – Mit einem Festessen in der Tonhalle klang die Feier aus, und unser Chronist versäumt es auch nicht, das Festmenü zu nennen: außer Suppe und Dessert bestand es aus fünf Gängen, darunter Krammetsvögel mit Sauerkraut, Rheinsalm, Rehfilet und Brüsseler Poularden.
Der Neubau war eingerichtet für 22 Lehrer und maximal 220 Schüler, heute sind es rund 50 vollbeschäftigte Lehrer und zur Zeit 580 Schüler. Seit dem bescheidenen Wiederbeginn 1946 im halbzerstörten Gebäude sind eine große Anzahl neuer Disziplinen zu den alten hinzugekommen: Bühnenkunst, Photographie, Film, dazu wissenschaftliche Fächer im Rahmen der Kunsterziehung. So erweist sich das alte Haus zunehmend als zu klein. Ein teilweiser Ausbau des Dachgeschoßes und das kleine Atelierhaus westlich des Gebäudes (nach Plänen von R. Schwarz) reichen nicht aus. Andere Erweiterungspläne blieben in der Schublade.
Seit 1958 sind Verhandlungen im Gang, wonach das Land von der Stadt das benachbarte Grundstück und Haus der „Pfandleihe“ erwerben möchte. Hier böte sich Raum für die dringend benötigten künstlerisch-technischen Werkstätten und Labors. Der alte Bau würde damit entlastet und könnte den Charakter einer rein künstlerischen Ausbildungsstätte zurückgewinnen. Man kann nur hoffen, daß die langen Verhandlungen bald zu einem befriedigenden Abschluß kommen.
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 20. Oktober 1979.