Frauen-Kultur-Archiv

Rheinischer Kulturjournalismus

Wenn nicht Wort, dann Form

Barlach-Ausstellung bei Ludorff

Im 40. Todesjahr von Ernst Barlach (1870 bis 1938) zeigt die Galerie Ludorff (Königsallee 22) eine umfangreiche Ausstellung mit 120 Arbeiten des Künstlers – Plastiken, Zeichnungen und Druckgraphik. Daß hier allein zehn seiner berühmtesten Bronzen neben einer Porzellanplastik (Russische Bettlerin mit Schale, 1906) versammelt sind, ist eine Seltenheit. Sie kommen alle aus einer norddeutschen, jetzt aufgelösten Privatsammlung.

Im Zentrum der „Singende Mann“ von 1928, der dem ganzen Raum seine Gelöstheit und Freiheit mitteilt. Schon 1912 machte Barlach die erste Entwurfszeichnung für die Plastik. Hier besonders wird deutlich, was der Künstler in einem Brief äußerte: „Es ist mein Glaube, daß dasjenige, was nicht durch das Wort auszudrücken ist, durch die Form in den Besitz eines anderen übergehen kann.“

Barlach hat Bronzen in größerer Zahl erst nach dem mit dem Galeristen Flechtheim geschlossenen Vertrag seit 1930 gießen lassen. Bei Ludorff finden wir unter anderem die expressive kleine „Kußgruppe III“ von 1921: die in ihrer schlichten Hingabe an den Augenblick der Begegnung so ergreifende Gruppe „Christus und Thomas“ (1926); den strengen, stelenhaften „Singenden Klosterschüler“ (1931) oder den vom Hauch des Geistigen angerührten „Buchleser“ (Lesender Mann im Wind) von 1936.

Die Ausdruckskraft der Linie, ihr rhythmisches Umgreifen figürlicher Volumen erlebt man besonders in einigen signierten frühen Kohlezeichnungen von 1912, den „Vier Knienden“, der „Strickenden Bäuerin“ und dem „Schlafenden Paar mit Hund“, expressiv noch gesteigert in dem „Liegenden Hirten unter einem Tuch“ von 1918.

Einer der Schwerpunkte des umfangreichen Graphikangebotes sind unter den 70 signierten Blättern die vollständige Serie der sieben Holzschnitte „Die Wandlungen Gottes“, die in einer Auflage von 100 auf der Berliner Pan-Presse gedruckten Exemplaren 1922 bei Cassirer erschienen. Die Zeichnungen dazu entstanden zwischen 1913 und 1920. Komplett wird auch die Folge von 35 Lithographien Barlachs zu ausgewählten Gedichten Goethes angeboten. Der Lithographienzyklus, an dem neben Barlach (der 31 Steinzeichnungen lieferte) auch Liebermann, Hans Meid und Karl Walser mitarbeiteten, erschien 1924 in 100 numerierten Exemplaren ebenfalls bei Cassirer. Die Beiträge von Slevogt und Kokoschka wurden nicht mehr veröffentlicht, Cassirer war inzwischen gestorben.

Unter den signierten Einzelblättern, beginnend mit der herben „Stehenden Frau auf halber Kellertreppe“ von 1912, sind es vor allem auch einige Lithographien zum „Armen Vetter“ (1919), die durch ihre beschwörende Unmittelbarkeit und spannungsvolle Verdichtung von Empfindungen faszinieren.

In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 22. Februar 1978.