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Rheinischer Kulturjournalismus

Worte, die im Raume schweben


Ausstellung der Arbeiten von Robert Barry in der Galerie Bugdahn und Kaimer

Der 1936 in New York geborene, in Teaneck/New Jersey lebende Amerikaner Robert Barry gehört zu den ersten Konzeptkünstlern und zur gleichen Generation wie Sol Lewitt oder Kossuth. Das Verzeichnis seiner internationalen Einzelausstellungen seit 1964 ist beachtlich. Die renommiertesten Galerien und Museen haben sich für ihn interessiert. Viermal war Robert Barry auf der Kasseler „documenta“ vertreten.

Jetzt hat er in der Düsseldorfer Galerie Bugdahn und Kaimer (Mühlenstraße 3) ein eigens auf diese Räume abgestimmtes neues „Wallpiece“ gemacht: ein Wandstück also. Doch diese Übersetzung kommt der Sache nur ungefähr nahe, denn was Barry dort in gelber Latexfarbe mittels Schablonen auf die Wand und die Decke gemalt hat, ist ebenso raum- wie flächenbezogen.

Es sind einzelne Worte, die da im Raum zu schweben scheinen. Nicht etwa brav in Zeilen oder Kolumnen, sondern horizontal, vertikal und schräg in allen Himmelsrichtungen locker über die Wände verteilt, die sie übergreifend zu verbinden scheinen. Ja selbst der obere und der untere Raum, die Treppe werden sozusagen zusammengeschlossen. Man hat den Eindruck von ins Räumliche ausgeweiteter „visueller Poesie“: jener Anordnung von Worten und Sätzen in Büchern, die das Zeilenschema durchbricht.

Robert Barry wehrt ab: „Ich bin Visualist, nicht Poet.“ Dennoch gibt er zu, daß die Bedeutung der Worte wichtig ist. Nicht im anekdotischen Sinn, sondern als „reine Worte, reine Konzepte“. Jedes Wort habe seine eigene Geschichte und solle nicht in Relation zu den anderen stehen. Und wirklich: jedes suggeriert ein Gefühl, eine innere Bewegung, einen Gedanken, einen Bewußtseins- oder Gemütszustand. Jedes läßt aber auch etwas offen, das der Betrachter vervollständigen muß.

Fixiert und freigesetzt

Nur einige seien genannt: Somehow / Remember / Could be / Try / Each one / Look / Listen / Changing / Almost / Please / Beyond / Given / Ourselves / Another / Wait / Together / Doubt / Chance / Alone / Coming / Later / Only one / Loved / Please / could be … (irgendwie, erinnere, es könnte sein, versuche, jeder, sieh, lausche, wechselnd, nahezu, bitte, jenseits, gegeben, wir selbst, ein anderer, warte, zusammen, Zweifel, Chance, allein, Kommend, später, nur einer, geliebt, bitte, kann sein …

Mit den Worten scheinen alle diese Gefühle und Bedeutungen im Raum zu stehen. Sie werden durch das geschriebene Wort gleichzeitig angeregt, fixiert und freigesetzt in der Phantasie des Betrachters. Wie viele Gedanken und Empfindungen bewegen und durchdringen einander doch in einem Raum, in dem sich ein Mensch aufhält.

Robert Barry setzt in seinen „Wallpieces“, die er schon seit dem Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre macht, einen Kontrapunkt zur Architektur, zum rein Konstruktiven. Er öffnet darin einen spirituellen, immer anders gestimmten Raum, auch in der Farbe, und dabei läßt er sich immer von der gegebenen Situation anregen. Hier wollte er, auch in dem lichten Gelb, etwas Freudiges, Helles machen.

Freilich sind seine „Wallpieces“, sofern sie nicht von Museen oder privaten Sammlern angekauft werden, temporäre Erscheinungen, ähnlich wie Performances. Auch das Raumkonzept in der Galerie Bugdahn wird nach Ende der Ausstellung zerstört. „Für mich sind die Wände wie verschiedene Seiten eines Buches. Jede ist anders“, meint der Künstler.

Barry macht auch Projektionen von Worten, Lichtworten, im dunklen Raum, die kommen und gehen wie das Licht in der Zeit. Oder er projiziert Dias, etwa einen einzelnen blauen Kreis oder einen roten Punkt, auch einzelne Porträts. Für Rudi Fuchs in Eindhoven und für die „documenta“ 1982 erfand er „Soundpieces“ (Klangstücke). Begonnen hat er als Maler, gab aber Mitte der Sechziger die Malerei 20 Jahre lang auf. Robert Barry ist auch Photograph. Am liebsten porträtiert er seine Freunde und Galeristen.

In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 21. Oktober 1992