Frauen-Kultur-Archiv

Rheinischer Kulturjournalismus

Zum Frieden durch Liebe

Konferenz des Weltfriedensbundes der Mütter und Erzieherinnen

In der der letzten Juniwoche fand in Köln die erste internationale Konferenz des Weltfriedensbundes der Mütter und Erzieherinnen statt, auf der die verschiedensten Länder durch die Sektionsvorsitzenden des Bundes vertreten waren.

Von den in den Sitzungen festgelegten, einstimmig eingenommenen Statuten geben wir hier einen Auszug, der einen Einblick ermöglicht in die Ziele des Bundes:

Artikel 1: Frauen verschiedener Länder, welche den vorliegenden Satzungen zustimmen, haben die Vereinigung gegründet, die den Namen "Weltfriedensbund der Mütter und Erzieherinnen" trägt. Sein Grundsatz ist: "Zum Frieden durch Liebe."

Sein Sitz ist Paris (gegenwärtig 12 rue Guy de la Brosse Ve). Der Weltfriedensbund umfaßt so viele nationale Sektionen, als es Länder mit Mitgliedergruppen gibt, die den nachstehenden Bestimmungen entsprechen:

Artikel 2: Die Mitglieder des Bundes verpflichten sich: a) ihre Kinder oder Zöglinge in einem Geist des Wohlwollens und der Brüderlichkeit gegen alle Fremden zu erziehen und in ihnen die Instinkte der Gewalttätigkeit und der Grausamkeit zu überwinden. b) Mit tätiger Sympathie Menschen und Einrichtungen zu unterstützen, die für die Herstellung des Friedens arbeiten. Seine Tätigkeit bleibt unabhängig von politischen Parteien und vollzieht sich unter unbedingter Achtung aller religiösen Überzeugungen. Beiträge werden nicht erhoben. Die Regelung der freiwilligen Spenden bleibt den einzelnen Sektionen der Länder überlassen.

Artikel 3: Der Weltfriedensbund verwirklicht sein Ziel durch a) Veröffentlichungen, Verteilung und Verkauf durch Broschüren, Flugblättern, Postkarten, die seinem Zweck entsprechen. b) Veranstaltungen von Vorträgen, Reisen, Tagungen und alle Art von Kundgebungen, die dem Friedensgedanken und der Völkerverständigung dienen, sei es allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.

Artikel 4: Jede nationale Sektion wird geleitet durch einen unabhängigen Vorstand, der sich nach Annahme der obigen Bestimmungen selbständig konstituiert und die Propagandatätigkeit nach eigenen Ansichten und nach den besonderen Bedürfnissen des Landes organisiert.

Artikel 5: Der internationale leitende Rat wählt aus seinen Mitgliedern eine erste und eine zweite Generalsekretärin, eine erste und zweite Schatzmeisterin und vier Besitzerinnen. Es obliegt ihnen die Hauptleitung des Weltfriedensbundes zwischen den Tagungen und die Ausführungen der Beschlüsse des leitenden Rates. Er vereinigt sich jedes Jahr einmal an einem Ort, der bei jeder Tagung für das folgende Jahr vorausbestimmt wird. Internationale Tagungen finden je nach Bedarf, aber mindestens alle zwei Jahre statt.

Artikel 6: Bei allen seinen Entschließungen geschieht die Abstimmung durch mündliche oder schriftliche Übereinkunft. Die Französin Frau Eidenschenk-Patin, die Begründerin der Liga der Mütter, wurde von der Gesamtheit als Generalsekretärin auf Lebenszeit gewählt, gleichzeitig ist sie dann selbstverständlich noch Generalsekretärin des Bundes in Frankreich. Es wurde so bestimmt, daß die Generalsekretärin eines Landes gleichzeitig auch Delegierte ist, also in den internationalen Rat kommt. Für Deutschland fiel die Wahl auf Frau Hallgarten (München); ihre Adjutantin, ebenfalls stimmberechtigt, wurde auf allgemeinen Wunsch Dr. Marie Stegmann (Dresden). Für Holland nahm Gräfin van Heerdt die Wahl an. Alle drei Frauen hatten sich schon um die Sache der Friedensbewegung verdient gemacht.

Leider müssen wir uns hier kurz fassen und können nur Tatsachenmaterial im Auszug geben. Wir behalten uns aber vor, in einer der nächsten Beilagen ausführlicher noch auf den Friedensgedanken, wie ihn die Frauen dieser Kölner Tagung herausstellten, einzugehen.

Im Kunstverein sprachen die Delegierten nun zur Öffentlichkeit. Die Rede der Frau Constanze Hallgarten, der Generalsekretärin für Deutschland, enthielt folgende Gedanken: Frauen aus den verschiedensten Ländern haben die internationale Liga der Mütter und Erzieherinnen geschlossen, die 1929 durch Französinnen ins Leben gerufen wurde. In Frankreich zählt der Bund schon über 60000 Frauen, in Deutschland, wo er erst ein Jahr besteht, etwa 7000. Diese Zahl wächst täglich. In unserer Zeit höchster materieller Not und tiefster seelischer Verzweiflung wird es den Frauen klar, daß mit den alten Methoden und mit den zum Abgrund führenden Anschauungen aufgeräumt werden muß. Wie rasch die Entwicklung vor sich gegangen ist, beweist die Tatsache, daß auf der ersten Haager Friedenskonferenz im Jahre 1899 nur eine Frau, Berta von Suttner, vertreten war, während 1932 Vertreterinnen von 56 Ländern im Namen von 45 Millionen Frauen ihre Kundgebungen zur Abrüstungs-Konferenz in Genf vorlegten. Die Rednerin wies sodann auf die Möglichkeiten eines neues Weltkrieges hin und schilderte das daraus erwachsende Geschehen: Gasangriffe, Flugzeugüberfälle, Giftbomben und dergleichen Schrecken. Sie schloß diesen Teil ihrer Ausführungen mit den Worten: "Wir haben es viel zu lange geduldet, daß die Errungenschaften der Technik, die genialen Erfindungen auf dem Gebiete der Chemie, der Naturwissenschaften dazu mißbraucht werden, Vernichtungsmittel herzustellen, um sich gegenseitig zu töten.

Sodann sprach sie von der natürlichen und menschlichen engen Verbundenheit der Nationen, die sich aus kleinen, nationalen Unterschieden unüberwindliche Schranken schaffe. Um die Frauen aufzuklären, und um den Willen zum Frieden zu stärken, habe sich der Weltfriedensbund nun zusammengeschlossen. Hauptziel sei die Erziehung der Kinder im Sinne einer neuen Ethik mit dem Willen zur Güte und Gerechtigkeit.

Als Zweite sprach Frau van Heerdt (Holland). In enthusiastischen Worten rief sie: "Auch wir holländischen Frauen nahmen mit Begeisterung den völkerversöhnenden Gedanken der Mme. Eidenschenk-Patin auf. Er gab unserem Frauenwirken in der holländischen Liga für den Völkerbund einen neuen Inhalt, nach dem wir lange gesucht hatten.

Nachdem wir nun prominente Persönlichkeiten des öffentlichen, sozialen und internationalen Lebens in unseren Reihen haben, die zum Teil der Genfer Delegation angehören, können wir auf die beste Hilfe unserer Regierung rechnen. Es ist notwendig, daß wir den Friedensgedanken vor allem schon in die Kinderherzen in den Elementarschulen pflanzen.

Daß der Friedensgedanke so schnell eine so große Anhängerschaft fand, ist dem großen Vorteil zu verdanken, den wir Holländer vor den am Krieg e beteiligten Völkern voraus hatten, da wir nicht erst die Gefühle des Hasses hinwegräumen mußten, um zu den Gefühlen des Friedens zu gelangen. Die Einmütigkeit der Friedensgesinnung in Holland gab sich dadurch kund, daß unser Aufruf für die Genfer Abrüstungskonferenz die überwältigende Zahl von 2 ½ Millionen Unterschriften ergab. Dies bedeutet für Holland 50 Prozent Unterschriften aller Erwachsenen."

Als letzte sprach dann Madame Eidenschenk-Patin selbst. Sie führte aus: "Der Weltfriedensbund der Mütter und Erzieherinnen wurde gegründet, um gegen das schlimmste Übel der Menschheit, den Krieg. zu kämpfen, Zweierlei Mittel gibt es dazu, eines auf lange Sicht: eine Jugenderziehung in allen Ländern, die zu friedlichen Zielen führt, die die Instinkte der Gewalttätigkeit, der Grausamkeit und der Herrschsucht überwindet, die den Tätigkeitstrieb auf menschliche Ziele richtet und, kurz gesagt, die Kräfte, die die Menschheit bisher auf die Zerstörung richtete, für das Gute anwendet. Mittel von direkter Wirkung sind: die Schaffung einer öffentlichen Meinung durch Flugblätter, Vorträge usw. Die größte Schwierigkeit zu Herstellung des Friedens liegt darin, daß die Völker sich nicht kennen: sie werden in Frankreich durch eine, im Dienst der Großindustrie und der Rüstungsindustrie stehende Presse falsch unterrichtet.

Nach den deutschen Wahlen im September 1930 erhob sich eine große Hetze in der französischen nationalen Presse, Briand wurde tatsächlich überschüttet mit Beschimpfungen und Anschuldigungen. Er dachte daran, sich zurückzuziehen. Der Weltfriedensbund griff ein; in einer Auflage von 52000 Exemplaren wurde nun eine an Briand adressierte Postkarte in Umlauf gebracht, die zu Zehntausenden mit zustimmenden Unterschriften versehen am Quai d’Orsay eingingen. Sie versicherte den Minister der Dankbarkeit des Volkes für seine Friedensworte und bat ihn, auf den eingeschlagenen Wegen weiterzugehen. Briand hat in einem Vortrag bekannt, daß er durch diese Aktion der Liga sehr gestärkt worden ist in seinem Glauben an die Friedensliebe des französischen Volkes. Er sagte von den Unterzeichnungen dieser Karte: das ist das wahre Frankreich, für dieses Frankreich werde ich arbeiten. Diese Aktion brachte der Liga einen Zuwachs von etwa 30000 Mitgliedern."

Ein paar zahlen sollen hier noch sprechen, die von der Französin angegeben wurden. 80 Prozent der Steuern gibt Frankreich für Rüstungszwecke aus, 20 Prozent für die Wohlfahrt. Diese Zahlen sprechen Bände. Es ist wirklich an der Zeit, daß die Frauen die Initiative ergreifen und laut und deutlich in allen Ländern sagen, daß die Zeit des Friedens beginnen muß, wenn nicht Europa zugrunde gehen soll.

In: "Frauen-Beilage" zum Düsseldorfer Stadt-Anzeiger, 3. Juli 1932, Nr. 183