Frauen-Kultur-Archiv

Leben und Werk

Leben und Werk: Germaine de Staël (1766 – 1817)

„Sie ist die außerordentlichste Frau des Jahrhunderts.“ (Joseph Fouché)

 

Kindheit und Jugend

Anne-Louise-Germaine wurde a. 17. April 1766 als einziges Kind des Ehepaars Necker in Paris geboren. Ihr Vater Jacques Necker war einer der reichsten Bankiers von Europa und Finanzminister unter Ludwig XVI. Im Salon der Mutter saß Germaine schon im Alter von sechs Jahren im Kreis der Philosophen und der geistigen Väter der Revolution und debattierte mit Geistesgrößen der Zeit. In dieser Umgebung wurde ihr Verstand geschult, und sie entwickelte Freude an der Auseinandersetzung über politische und philosophische Themen.

 

Heirat

Der Vater verheiratete Germaine 1786 mit dem um 17 Jahre älteren schwedischen Botschafter in Paris, Baron Eric Magnus von Staël-Holstein. Bezüglich dieser Ehe gab sich die Zwanzigjährige keinerlei Illusionen hin: „Monsieur de Staël wird mich nicht unglücklich machen, aus dem einfachen Grund, weil er zu meinem Glück nichts beitragen kann.“ Als der Ehemann 1802 starb, hatte er keine Spuren in ihrem Leben hinterlassen; Liebe suchte sie bei anderen Männern, denen sie zu Einfluss verhalf.

 

Ihr Salon in der Rue de Bac: 1786-1802

In ihrem Salon in der Rue de Bac versammelte Germaine de Staël durch ihre große Anziehungskraft, Intelligenz und Redegewandtheit die liberale Aristokratie und die Elite der Politiker von morgen. In den Jahren während und nach der Französischen Revolution machte sich Germaine durch ihre Offenheit viele Feinde; ihr erbittertster Gegner wurde Napoleon Bonaparte, der über sie urteilte: „Diese Frau ist ein Unglücksvogel, immer der Vorbote für irgendeine Unannehmlichkeit!“
Während sie beim Ausbruch der Französischen Revolution noch die konstitutionelle Monarchie verteidigt hatte, sah Madame de Staël nach dem Ende der Schreckensherrschaft in der Republik nach amerikanischem Vorbild die einzige postrevolutionäre Staatsform.

 

Der Erfolg der Deutschland-Reise

Bei ihrer Reise nach Deutschland  1803/4 traf die „erste Frau Europas“, wie sie von der zeitgenössischen Presse bezeichnet wurde, in Weimar mit Goethe, Schiller und Wieland zusammen. Goethe schrieb in „Tag- und Jahreshefte“ 1804 über die Französin: „Die großen Vorzüge dieser hoch denkenden und empfindenden Schriftstellerin liegen jedermann vor Augen, und die Resultate ihrer Reise durch Deutschland zeigen genugsam, wie wohl sie ihre Zeit angewendet.“ Schiller schwärmte geradezu: „Sie ist für ihr Geschlecht ein Phänomen; wenige Männer kommen ihr an Geist und Eloquenz gleich.“ (5. Jänner 1804, Brief Schillers an Wilhelm und Christophine  Reinwald)
August Wilhelm Schlegel wurde der Hauslehrer ihrer Kinder und ihr literarischer Berater. Madame de Staël nutzte Schlegels Kenntnisse über Deutschland und die deutsche Literatur für ihr Buch „De l’Allemagne“, das im Anschluss an ihre Deutschlandreise entstand.

 

Femme de lettres und politische Denkerin

Das Werk Germaine de Staëls ist gekennzeichnet durch eine intensive Zeitgenossenschaft. Geschrieben in einer Übergangszeit zwischen Spätaufklärung und Romantik reflektieren ihre essayistischen und literarischen Texte historische Erfahrungen in einer Zeit radikaler Umwälzungen. In den zehn Jahren der Revolution publizierte sie im Wesentlichen tagesbezogene Schriften; um die Jahrhundertwende veröffentlichte sie ihr erstes grundlegendes Werk „Über die Literatur in ihren Beziehungen zu den gesellschaftlichen Institutionen“. Durch diesen Text wurde sie eine der ersten, die auf die politischen und soziologischen Aspekte von Literatur hinwies, war also ebenso femme de lettres wie auch politische Denkerin. Germaine de Staël verstand Literatur weniger als Kunst, sondern vielmehr als Mittel zur Zivilisierung der Menschheit.

 

Ihr wohl bedeutendstes Werk ist „De l’Allemagne“, das bis ins 20. Jahrhundert das französische Urteil über Deutschland prägte. Über dieses Buch äußerte sich Goethe: „Jenes Werk ist als ein mächtiges Rüstzeug anzusehen, das in die Chinesische Mauer antiquierter Vorurteile, die uns von Frankreich trennte, sogleich eine breite Lücke brach.“
Heinrich Heine urteilte über „De l’Allemagne“ wie folgt: „Wo sie ganz selbst ist, wo die großfühlende Frau sich unmittelbar ausspricht mit ihrem ganzen strahlenden Herzen, mit dem ganzen Feuerwerk ihrer Geistesraketen und brillanten Tollheiten: da ist das Buch gut und vortrefflich.“

 

Ihre Texte waren Waffen im Kampf gegen Napoleon, in der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und dienten auch – wie die Romane „Delphine“ und „Corinne ou l’Italie“ – der Rechtfertigung ihrer eigenen Existenz als unabhängige Frau, die es wagte, mit jenen Gaben zu brillieren, die den Männern vorbehalten waren. Ein Leben lang war Germaine de Staël eine unbequeme Frau, die gegen doppelte Moral und Vorurteile, sei es ihre eigene Person, die Rolle der Frau im allgemeinen oder – wie in „De l’Allmagne“ – andere Nationalitäten betreffend, ankämpfte.

 

Späte Rückkehr nach Paris  und früher Tod

Nachdem im April 1814 Napoleon abgedankt hatte, kehrte Germaine de Staël in das besetzte und zerstörte Paris zurück. In ihrem Salon in der Rue Royale gab sie wieder Empfänge und bezauberte das intellektuelle Publikum.

 

Germaine de Staël starb am 14. Juli 1817 im Alter von nur 51 Jahren nach einem Schlaganfall in Paris. Einsichten wie diese, sind unverändert relevant: „Wissenschaftlicher Fortschritt macht moralischen Fortschritt zu einer Notwendigkeit; denn wenn die Macht des Menschen wächst, müssen die Hemmungen verstärkt werden, die ihn davon abhalten, sie zu missbrauchen.“