Kurzporträt
Die Entfaltungsmöglichkeiten der jungen Adeligen, geboren am 11. Februar 1780, wurden durch den frühen Tod des Vaters im Jahr 1797 stark eingeschränkt. Vom 17. Lebensjahr an lebte sie in einem evangelischen Damenstift in Frankfurt; mit der Mutter musste sie einen Rechtsstreit um ihr väterliches Erbe führen, der zum Zeitpunkt ihres Todes noch nicht abgeschlossen war. Eine produktive Freundschaft verband sie mit der jungen Bettine von Brentano, mit deren Schwester Gunda und dem späteren Ehemann Friedrich Carl von Savigny, mit Clemens Brentano und mit dem Ehepaar Ness von Esenbeck. In den überlieferten ‚Studienbüchern’ entfaltet sich Günderrodes weitgespanntes Bildungsinteresse, das philosophische, poetologische und vor allem mythengeschichtliche Themen umfasste. Karoline von Günderrode verfasste neben Lyrik und Prosa vor allem Dramen, in denen sie mit den Entwürfen weiblicher Heldinnen die gesellschaftlichen Normvorstellungen transzendierte.
In der kurzen Phase der nur heimlich lebbaren Liebesbeziehung zum verheirateten Mythenforscher und Heidelberger Professor Friedrich Creuzer gelangen mehrere Veröffentlichungen unter verschiedenen Pseudonymen. Die für die Autorin auch äußerst befruchtende geistige Partnerschaft endete jäh mit der Aufkündigung der Beziehung durch Creuzer, der sich den gesellschaftlichen Zwängen beugte. Karoline von Günderrodes Freitod geschah am 26. September 1806 unmittelbar nach der angekündigten Trennung.
Einen Günderrode-Mythos von der schicksalhaften Verschränkung von Liebe, Schreiben und Tod begründete die Freundin und inzwischen selbst zur Schriftstellerin gereifte Bettine von Arnim 1840 in dem Briefroman „Die Günderode“. Im 20. Jahrhundert war es Christa Wolf, die mit dem Roman „Kein Ort. Nirgends“ und der Werkauswahl „Der Schatten eines Traumes“ 1979 eine intensive Auseinandersetzung der Forschung mit dem Werk der Günderrode initiierte.
Gedichte
Die eine Klage
Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt was er verlohren,
Lassen muß was er erkohren,
Das geliebte Herz,
Der versteht in Lust die Thränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Andern sich zu finden,
Daß der Zweiheit Gränzen schwinden
Und des Daseins Pein.
Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt’ ein Wesen liebgewinnen
O! den tröstet’s nicht
Daß für Freuden, die verlohren,
Neue werden neu gebohren:
Jene sind’s doch nicht.
Das geliebte, süße Leben,
Dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Giebt kein Gott zurück.
In: Karoline von Günderode: Poetische Fragmente, 1806, im Gedichtzyklus: Melete.
Liebe
O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!
In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.
Lebendiger Tod, im Einen sel’ges Leben
Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben
In: Karoline von Günderode: Der Schatten eines Traumes. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen. Hrsg. v. Christa Wolf. Darmstadt 1979.
Liebst du das Dunkel
Liebst du das Dunkel
Thauigter Nächte
Graut dir der Morgen
Starst du ins Spätroth
Seufzest beym Mahle
Stösest den Becher
Weg von den Lippen
Liebst du nicht Jagdlust
Reizet dich Ruhm nicht
Schlachtengetümmel
Welken dir Blumen
Schneller am Busen
Als sie sonst welkten
Drängt sich das Blut dir
Pochend zum Herzen.
In: Karoline von Günderode: Der Schatten eines Traumes. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen. Hrsg. v. Christa Wolf. Darmstadt 1979.