Frauen-Kultur-Archiv

Lyrische Universen

Martha Saalfeld

Kurzporträt

Sie ist eine Naturlyrikerin, Jg. 1898, deren Prägung durch ihre Verbundenheit mit der pfälzischen Landschaft, aus der sie stammt, erwuchs. Martha Saalfeld studierte ab 1921 in Heidelberg Kunstgeschichte und Philosophie bei Jaspers, bei dem sie 1927 „Zum Problem des Leidens bei Kierkegaard“ promovierte. Seit 1928 war sie mit Werner vom Scheidt verheiratet, damals noch in der Kunstausbildung, der ihre Publikationen häufig illustrierte. Seit 1925 veröffentlichte sie Lyrik in Kulturzeitschriften und seit 1927 in Tageszeitungen. Nach Privateditionen erschien 1931 bei Karl Rauch in Berlin die Sammlung „Gedichte“. Mit einem zusätzlichen Pharmaziestudium und der Ausbildung zur Apothekerin konnte sie langfristig ihre und ihres Mannes künstlerische Existenz finanzieren. Der Lyrikband „Der unendliche Weg“ war 1934 die letzte gedruckte Ausgabe ihrer Gedichte im 3. Reich. Auf Vermittlung von Otto und Hulda Pankok arbeitete Martha Saalfeld von 1937 bis 1938 in Düsseldorfer Apotheken. Otto Pankok war für Werner vom Scheid ein künstlerischer Inspirator und Freund geworden, sie teilten die Regime-Gegnerschaft.

 

Hulda Pankok veröffentlichte 1946 in ihrem Drei Eulen Verlag in Düsseldorf die Gedichtsammlung „Deutsche Landschaft“, in der die drei Gedichtzyklen: „Pfälzische Landschaft“, „Emsland“ und „Der Herbst ist gut“ zusammengefasst sind. Martha Saalfeld schrieb auch Dramen, die Aufführungen erfuhren, Erzählungen und Romane. Im Roman „Die Judengasse“ von 1965 setzte sie sich mit der Judenverfolgung auseinander. Die Autorin wurde vielfach ausgezeichnet.

 

Gedichte

 

O traurig ist der Sterbende und hart
Ist ihm das Blaue aufzugeben und
Die sanfte Birne, nahe seinem Mund,
Und ach den kleinen Schatz den er verscharrt. –

 

Doch Gott – der wartet schon; er braucht den Platz,
Er braucht die Leichen, denn sein Feld ist arm,
Sein Herz ist kalt und wird erst wieder warm
Wenn dieses innehält und ein Ersatz

 

Sich willig bietet: Gott ist überaus
Geschickt, die Schmerzen zu begründen, die
Er einem schafft, doch es gelingt ihm nie
Die Ärmsten zu getrösten bis nach Haus.

 

Sie sagen es ihm alle ins Gesicht –
Da aber ist er tot und hört sie nicht…

 

In: Martha Saalfeld: Der unendliche Weg. Berlin: Verlag Karl Rauch 1934.

 

 

 

Wie schwimmt der Berg im Blauen! Milde schmeckt
Der Wind nach früher Blüte. Süßes Gras
Schwillt in der Mulde. Es erklingt wie Glas
Die dünne Luft. Mit trockner Zunge leckt

 

Die zärtliche den feuchten Spiegel, drin
Der Himmel steht, die Pappel und der Pflug
Des Ackerers. Gestirn und Wolkenzug –
O starke Schrift vom mildesten Beginn!

 

Die Traubenhyazinthe hat das Blau
Des Himmels eingesogen. Morgenstern
Und Miere blühn im Wingert. Aber fern –
Her kommt der Trunkene. Er atmet lau.

 

In: Martha Saalfeld: Deutsche Landschaft. Düsseldorf. Drei Eulen Verlag 1946, Abteilung: „Pfälzische Landschaft“ (entstanden 1927).

 

 

 

O klare Sicht: die Ebne aufgetan
Bis an den Strom! Ins Licht genommen und
Dem Himmel angenähert; schwanker Grund
Der ewigen Gestirne. Vogelbahn –

 

Und Bogen hält die fliehende nicht ein.
Sie narrt den Blick der wie ein Bussard stößt
Nach winzgen Fellen. Unversehens löst
Sie sich aus seinem Griff. Sie strömt wie Wein

 

Und sie hat keine Grenze, denn es will
Der Gott sie ähnlich seinem Wesen. Ist
Sie aber nicht sein eigenstes? Vergißt
Er sich nicht ganz in ihr und hält ihr still?

 

In: Martha Saalfeld: Deutsche Landschaft. Düsseldorf: Drei Eulen Verlag 1946, Abteilung: „Pfälzische Landschaft“ (entstanden 1927).

 

 

 

Süß ist der Hebst und weise, gibt sein Gut
Dahin, das köstliche, und zögert nicht.
Schon lockert sich der Apfel, schlüpft das Licht
In hellen Beeren, macht sich Vogelbrut

 

Von dannen. Flache Sohle, flache Hand –
Wie leise ist die Zeit, und wie zerrinnt
Der Schaum an Strauch und Baum! Ach, es beginnt
Ein Wirkliches und füllt sich bis zum Rand.

 

Der Rauch des pludrigen Gefieders weht
Im dichten Licht. Die glänzende Pupille
Ist ohne Härte. Doch es wächst die Stille
Von innen und das Vogelherz vergeht.

 

Aus dem Zyklus: „Der Herbst ist gut“ von 1934, in: Martha Saalfeld: Deutsche Landschaft. Düsseldorf: Drei Eulen Verlag 1946.

 

 

 

Das Herz des Vogels ist geängstigt und
Das Herz des Dichters. Ach, es ist das Blau
Des Himmels göttlicher Betrug und schlau
Verborgne Kälte; es erfriert der Mund,

 

Der es besingt, und in den Adern blaßt
Das rote Blut. Von aller Farbe bleibt
Ein Mörtelton. Doch vieles übertreibt
der Liebende zunächst und jedes haßt

 

Ihn schrecklich darum. Der unbewehrt
Dem Fall des Laubs begegnet und der Flucht
Der zarten Schwalben und dem Sturz der Frucht –
Wie vieler Dinge Tod hat ihn versehrt!

 

Aus dem Zyklus: „Der Herbst ist gut“ von 1934, in: Martha Saalfeld: Deutsche Landschaft. Düsseldorf: Drei Eulen Verlag 1946.