Frauen-Kultur-Archiv

Lyrische Universen

Paula Ludwig

Kurzporträt

Aus ärmlichen Verhältnissen stammend (geb. 5.01.1900), konnte sie den Wunsch, Schauspielerin zu werden, nicht verwirklichen. In Breslau kam sie in Kontakt mit bildenden Künstlern und fand in der Breslauer Dichterschule ihren Weg zur Lyrik. Trotz schwierigster Lebensumstände (mit unehelichem Sohn) gelang ihr 1918 in München der Zugang zu wichtigen Maler- und Literatenkreise. Einerseits malte sie Aquarelle und andererseits dichtete sie in einem sehr eigenen Stil, der expressionistische und symbolistische Elemente verband. Bereits 1919 erschien der 1. Gedichtband „Die selige Spur“. Ab 1923 lebte sie in Berlin als Malerin und freie Schriftstellerin. Es folgten die Gedichtbände: „Der himmlische Spiegel“, 1927 und „Dem dunklen Gott. Ein Jahresgedicht der Liebe“, 1932. Letzter entstand in der 1. Phase ihrer Liebesbeziehung zum Lyriker Iwan Goll, der mit „Chansons Malaises“ darauf antwortete und sie als „Prinzessin der Lyrik“ pries.

 

Im nationalsozialistischen Deutschland wollte sie 1933 nicht leben; sie ging zunächst nach Österreich und floh nach dem ‚Anschluss’ 1938 nach Frankreich. Sie hatte sich für jüdische Mitbürger eingesetzt. Nach der Besetzung Frankreichs folgten als weitere Exilstationen Portugal und Brasilien. Die Rückkehr 1953 zunächst nach Österreich und später nach Deutschland war für die Dichterin sehr schwierig und belastend. Paula Ludwig gehört zu jenen „vergessenen“ Autorinnen und Autoren, die bedingt durch die lange Exil-Zeit in der Literaturszene der Nachkriegszeit nicht den ihnen zustehenden literarischen Platz finden konnten. Die innovative Prosasammlung „Traumlandschaften“ von 1935 erweiterte sie durch Traumtexte aus dem Exil und aus der Zeit der Rückkehr und publizierte 1962 „Träume. Aufzeichnungen aus den Jahren 1920-1960“. Im gleichen Jahr erhielt sie den „Georg-Trakl-Preis für Lyrik“. Paula Ludwig starb am 27. Januar 1974.

Gedichte

 

An die Nacht

 

Ach,
noch bedrängst du mich
mit zuviel Dunkel,
Nacht,dass ich dich ganz begreife.
Aber wenn der Tag beginnt,
dann erscheinst du mir herrlich,
und in der Erinnerung
wächst mir dein Wesen ganz in den Schoß.

 

Ich verlange den Abend
und deine Wiederkehr,
süßeste Freundin.

 

 

Kommt, unruhvolle Vögel

 

Kommt, unruhevolle Vögel,
und pickt vom Herzen mir und von dem Fleisch.
Nur allzu süß schmeckt diese Speise,
und einmal schaue ich eurem Mahle zu.

 

Wäre der Tod nicht über uns
Und fiel nicht Staub auch in die reinsten Augen:
Jagte ich euch! Indes:

 

Warum die Abwehr um so kurze Frist?
Nehmt von der Erde, was von Erde ist.
Der Tau sei nicht beweint,
der so verrinnt
in Schalen, die das Wasser selber sind!

 

 

O Wärme

 

Wie berge ich den süßen Duft der Linden
einmaligen Gesang und Blau des Himmels
die Linien dieses Zweiges
und den seidnen Fall
des Kleides
überm eignen glücklichen Leib?

 

O Wärme diesen mir in meinem Herzen
denn so viel Kälte wie von einem Worte
mir übrigbleibt wenn dies vorüber ist
wer hilft sie zu umkleiden?

 

 

Klage

 

Ich ging durch die Menge
und stieß an unselige Dinge,
durch meine Finger rieselte Staub.

 

Ich kam in den Schatten des Waldes,
ein Vogel flatterte einsam,
und aus dem lautlosen Moos
blühte das rötliche Kraut.
Ich bleibe die fremde Gestalt
in meines Zimmers befremdlichem Raum,
ich bin eine Zwergin unter den Aufrechten.

 

Wer reicht ihn mir nieder,
des Himmels lieblichen Saum?

 

Alle Gedichte in: Paula Ludwig: Der himmlische Spiegel. Berlin 1927.