Frauen-Kultur-Archiv

Lyrische Universen

Ricarda Huch

Gedichte

 

Wie liebten wir so treu in jenen Tagen,
Fest wie die Sonne stand das Herz uns da.
Getrennt, wie hatten wir uns viel zu sagen,
Und sagten stets nur eines: Liebst Du? Ja!
O Liebe, kannst du wie ein Traum der Nächte
Vorübergehen, die du unendlich scheinst?
Mir ist, als ob er fernher mein gedächte

 

Und fragte: Liebst Du mich? Sag ja wie einst!

 

In: Ricarda Huch: Neue Gedichte, 1907.

 

 

Ein Engel hat den vollen Kranz der Liebe
Einst auf dies töricht junge Haupt gesetzt,
Und daß er Rosen überschwenglich triebe,
Mit seiner Tränen Flut ihn reich benetzt.
Die Sonne sank, seit wir uns Treu gelobten.
Wie grün er war, der Kranz ist lang verbleicht – –
O Scham, Triumph und Demut des Erprobten,
Dem Gott die Krone ewgen Lebens reicht!

 

In: Ricarda Huch: Neue Gedichte, 1907.

 

 

Ein Todesengel, göttlich sanft und schön,
Trägst du gen Himmel mächtig meine Seele.
Durch alle Nacht hindurch, wie Stürme wehn,
Fühlst du den Weg, den ich allein verfehle.
Wie rücken die Gestirne weit, so weit!
Der Erde fern und fern der Ewigkeit
Nichts faß ich mehr als deines Herzens Schlagen.
Ein Adler ist´s, der steigt: einst wird es tagen.

 

In: Ricarda Huch: Neue Gedichte, 1907.

 

 

Wiedersehen
Aus der Trennung Schale
Trank ich tropfenweis den bittren Wein;
Ganz in einem Male
Soll das Wiedersehn genossen sein.

Gib mir beide Hände!
Aus dem nie erschöpften Überfluß
Unsrer Huld verschwende
Alle Zärtlichkeit in einem Kuß!

Hauche deine Seele
Tief in meines Busens Grund hinein;
Nicht im Wort erzähle:
Was du denkst, wird so im Fühlen mein.

 

In: Ricarda Huch: Gedichte 1917.

 

 

Abschied
Leb wohl, mein schönes Land,
Ihr Berge voller Schnee,
Die ich vom Waldesrand
Zum letzten Male seh!

Leb wohl nun, lieber Wald,
Du kühle Halle mein!
Schon fällt das Laub – wie bald
Wirst du entblättert sein.

Wie still dann und wie leer,
Der einst so froh und kühn!
Kein Schlänglein raschelt mehr
Durch das verweste Grün.

Wo ich im Moose lag
Am roten Hagedorn
Und auf der Amsel Schlag
Und auf das Alpenhorn

Gelauscht so oft und gern,
Schleicht dann der Fuchs vorbei,
Und kichernd tönt von fern
Der Eule Nachtgeschrei.

Leb wohl, mein schönes Land!
mein Aug’ ist Tränen voll;
Mein Fuß ist festgebannt,
Der dich verlassen soll.

Leb wohl, mein trautes Dach!
Wie oft blick ich zurück!
Das Heimweh folgt mir nach –
Dahinten bleibt das Glück.

 

In: Ricarda Huch: Gedichte, 1917.

 

 

Uralt Gebirge, wie vor Jahren
Silbern gegossen in vollkommener Pracht
Ruhst du; weit bin ich umgefahren,
Wund komm ich aus verlorner Schlacht,
In deinem Schoß bald Staub mit meiner Habe,
Ein Traum, ein Nichts, und doch voll Ewigkeiten!
Dereinst zerbrech ich deine Felsenseiten
Und lodre glorreich aus geborstnem Grabe.

 

In: Ricarda Huch: Alte und neue Gedichte, 1920.